Das Heil durch die Juden

Ex quibus Christus secundum carnem.
Römerbrief IX, 5.

Salus ex Judaeis est. Das Heil kommt von den Juden!1)

Ich habe leider wie so viele andere Unglückliche kostbare Stunden meines Lebens damit vertan, die antisemitischen Elaborate des Herrn Drumont zu lesen und ich erinnere mich nicht, daß er dieses einfache und furchtbare Wort Unseres Herrn Jesus Christus zitiert hat, das der heilige Johannes im IV. Kapitel seines Evangeliums berichtet.

Selbst wenn es dieser geschäftige Journalist je der Mühe wert gefunden hat, die Heilige Schrift genauer zu studieren, und wenn er imstande wäre, zu meiner Beschämung nachzuweisen, daß dieser wichtige Satz in diesem oder jenem seiner dicken Pamphlete, mit denen er dauernd die christlichen Völker zu Tode langweilt, erwähnt ist, so wäre doch noch zu sagen, daß diese Ehrenbezeigung vor der Heiligen Schrift so merkwürdig unbetont und versteckt blieb, so flüchtig und diskret, daß es kaum möglich ist, sie zu bemerken, ganz unmöglich aber, von ihr ergriffen zu werden.

Und, doch bedeutet es etwas, dieses Zeugnis des Gottessohnes!

Ich weiß wohl, daß der heilige Augustinus die Bedeutung dieses Satzes in seiner ärmlichen Exegese von den „zwei Wänden” sehr abgeschwächt hat, und daß es müßig ist, den 15. Traktat des berühmten Kommentars des ehrwürdigen Lehrers darüber zu befragen.

Aber Augustinus lebte im 5. Jahrhundert. Doch die Verwerfung Israels hatte mit der völligen Zerstörung Jerusalems begonnen. Das menschliche Geschlecht, das zur Hälfte schon den Nachfolgern Petri unterworfen war, hatte sein Herz für die Dauer der Zeiten verhärtet im Groll gegen die verfluchte Nachkommenschaft der Henker Christi.

Die schrecklichen Wunden der ersten Verfolgungen waren fast vernarbt, und die großen Saaten des Märtyrerblutes hatten Frucht getragen.

Die Unterweisung im Übernatürlichen fiel an die Theologen, die Exegeten, die bekehrten Philosophen, und der unbequeme Satz Dessen, der der Sohn des Donnerers heißt, konnte respektvoll beiseite geschoben werden, ohne daß die von Blut gerötete Kirche, die noch wie ein Kind in der Wiege lag, Ärgernis nahm oder sich auch nur wunderte.

Doch dieses Wort bleibt. Es lebt trotz allem in seiner geheimnisvollen Kraft und gleicht einer dunklen Gemme von betörendem Glanz; es ist nur noch wertvoller geworden durch die ungeheuerliche Nichtbeachtung derer, die über den Glauben gesetzt sind, ihn zu verwalten und zu bewahren.

~2~

Das Heil kommt von den Juden! Ein verwirrender Satz, der uns himmelweit von Herrn Drumont entfernt! Gott bewahre mich davor, daß ich diesem Helden den Krieg erkläre. Wahrlich, der Kampf wäre allzu ungleich.

Der Verfasser des Pamphlets „Das jüdische Frankreich” darf sich rühmen, ins Schwarze getroffen zu haben. Mit einer tiefen Einsicht und der Kaltblütigkeit eines schlauen Kopfes hatte er herausgefunden, daß der Stein der Weisen, der zum Erfolge führt, darin besteht, dem Pöbel genau das Futter vorzuwerfen, nach dem er am gierigsten verlangt; und so erfand er gegen die Juden die alarmierende und hartnäckig wiederholte Forderung, sie sollten ihr Geld wieder herausgeben.

Das war das unfehlbare Mittel, mit dem es ihm gelang, alles zu bezwingen, alles zu übertölpeln und sich selber auf den Gipfel des Ruhmes zu heben, wenn er jedem Beliebigen, und wäre er einer jener ganz Armen, die im Lasterpfuhl der Verzweiflung zu versinken drohen, zurief: Diese treulosen Hebräer, die sich mit Kot bespritzen, haben dir dein Geld gestohlen; hol es dir wieder, Ägypter, zieh ihnen das Fell über die Ohren, wenn du Mut hast, und verfolge sie bis in das Rote Meer!

Das immer und überall wiederholen, es unaufhörlich in Büchern und Zeitungen in die Welt hinausposaunen, sich sogar ein paarmal deshalb duellieren, damit es edler über Berge und Ströme erschalle, aber vor allem, oh vor allem, niemals etwas anderes sagen, — das ist das Rezept und das Geheimnis, die Spielregel und die Kunst des großen Erfolgs. Wer denn, oh Gott, könnte dem widerstehen?

Dazu kommt, daß dieser große Mann im Namen des Katholizismus sprach. Nun, jedermann kennt ja die erhabene Uneigennützigkeit der heutigen Katholiken, ihre überzeugte Verachtung aller Börsenspekulationen und Geldgeschäfte und die heilige Selbstentäußerung, zu der sie sich bekennen. Ich selber habe einige Bücher geschrieben, um die für mich fast schmerzhafte Bewunderung dieser Dinge zu beschreiben, die mir bei derlei Schülern der himmlischen Liebe überall aufstößt, und ich spüre wohl, es wäre mir unmöglich gewesen, es nicht zu tun.

Die Heftigkeit ihres Eifers ist also leicht zu begreifen, da die Hetzreden des Antisemiten in ihnen das Gefühl wachriefen, als sollte die Gerechtigkeit wiederhergestellt werden. Ja, man kann sagen, daß es bei dieser Gelegenheit vielen wie Schuppen von den Augen fiel, und daß der edle Drumont zum Apostel der Lauen wurde, die gar nicht wußten, daß die Religion ein so einträgliches Geschäft sein könne.

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Einige Laien haben sich freilich gefragt, welch wesentlicher Sieg für die praktische Moral gewonnen sei, wenn man, wie das doch unleugbar der Fall ist, das berühmte goldene Kalb durch ein Schwein aus demselben Metall ersehe, und welch kostbaren Gewinn der Katholizismus aus diesen Geldstreitigkeiten ziehen könne.

Denn schließlich zog Herr Drumont als Held in Babylon ein, nachdem er alle semitischen Völker vernichtend getroffen hatte, und die Bewunderer dieses Eroberers witterten an ihm den Goldstaub des seligen König Midas, vermischt mit den Düften und Wohlgerüchen, mit denen die sterblichen Götter ihre Leiber zu umhüllen pflegen.

Weniger poetisch gesprochen, die Sache klappte: die großen Auflagen mehrten sich, und die Autorengewinne gingen mit Rothschild’scher Sicherheit ein; ein ganzes Heer von Schmierern gleichen Schlages, das diesen so einkömmlichen Gedanken nicht gehabt hatte, platte fast vor Neid, und sogleich beschloß es, mit Begeisterung gleiche Heldentaten zu verrichten.

Alle die bleichen, christlichen Knoblauchfresser aus Ober-und Unterägypten begriffen erstaunlich schnell, daß der Krieg gegen die Juden eigentlich ein glänzender Trick sein könnte, sich zu sanieren und die Wirtschaft wieder anzukurbeln.

Man sah sogar zahlreiche Priester, unter denen doch aufrichtige Diener Gottes sein sollten, die sich begeisterten bei der Aussicht auf ein baldiges Gemetzel, bei dem genug israelitisches Blut vergossen würde, daß Millionen Hunde sich vollsaufen könnten, indes die unschuldigen Schafe des Guten Hirten, Gott preisend, den goldenen drei-und fünfblättrigen Klee auf den ersehnten Weiden des verheißenen Landes fraßen.

Die Begeisterung war so plötzlich und der Impuls so mächtig, daß selbst heute bestimmt noch keinen der Gedanke beunruhigt hat, ob nicht für ein priesterliches Herz eine ernste Gefahr darin liegt, so die Vernichtung eines Volkes zu erbitten, das die römischkatholische Kirche neunzehn Jahrhunderte lang beschult hat, für das sie in ihrer schmerzerfüllten Liturgie am Karfreitag zu Gott betet; aus dem die Patriarchen und Propheten, die Evangelisten und Apostel, die Jünger und die ersten Märtyrer alle hervorgegangen sind; ganz zu schweigen von der jungfräulichen Mutter und Unserem Erlöser selber, welcher der Löwe aus Juda war, im wahrsten Sinn des Wortes Jude von Natur — ein unsagbarer Jude —, der zweifellos eine ganze vorangehende Ewigkeit gebraucht hat, um diese Abkunft aus Juda zu begehren.

Wäre es da nicht eine Pflicht gewesen, dem habgierigen Marktschreier Drumont, dem Organisator und Prediger dieses Kreuzzuges für den Geldbeutel, genau auf die Finger zu sehen, der unaufhörlich gegen die kleine Zahl der Auserwählten des allmächtigen Geldsacks für Barzahlung Propagandareden hält? Und hat man einen einzigen Protest von katholischer Seite gehört, als man allenthalben auf den wehrlosen Mauern unserer Stadt das grauenhafte Bild dieses gotteslästerlichen Hanswursten sah: in der Rüstung eines Ritters vom Heiligen Grabe, Moses mit Füßen tretend!!!?

Ah! Das sagt doch alles.

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Also genug davon!

Ich wiederhole, meine Absicht und mein Gegenstand erlauben es nicht, nur bei der Person Drumonts zu verweilen, und dabei hätte sein Sieg noch größer sein können, wenn er sich nicht wie ein lächerlich eitler Parvenü gebärdet hätte; übrigens hat er ja jetzt gerade eine Gefängnisstrafe von drei Monaten zu verbüßen.2)

Aber mußte ich nicht seinen Namen nennen, da ich über die Frage Israels schreiben will, die so ohne Gegenstück dasteht und die von ihm, wie er sich einfältig rühmt, auf das geistige Niveau des dümmsten Bürgers herabgezogen wurde.

Ich dürfte kaum im Verdacht stehen, eine zärtliche Liebe für die heutige Nachkommenschaft dieses berühmten Volkes zu haben. Ich will gleich zu Beginn zitieren, was ich vor sechs Jahren in einem Buch des Zorns geschrieben habe, das in der Öffentlichkeit mit allen erdenklichen Mitteln totgeschwiegen wurde.

„Das Mittelalter”, sagte ich, „hatte den gesunden Instinkt, die Juden in den schmutzigsten Stadtbezirk der eigens für sie reserviert war, zu verweisen und ihnen eine besondere Tracht vorzuschreiben, so daß ihnen jeder aus dem Wege gehen konnte. Hatte man unbedingt etwas mit diesen gemeinen Menschen zu tun, so tat man es heimlich wie etwas Schlechtes und reinigte sich dann, so gut man konnte. Die Schande und die Gefahr, die dieser Verkehr mit sich brachte, waren das christliche Gegengift gegen diese Pestilenz, da Gott nun einmal an dem Fortbestehen eines solchen Gesindels festhalten wollte.

Heute dagegen, da das Christentum von seinen eigenen Gläubigen fast zu Tode getreten ist, und die Kirche alles Vertrauen verloren hat, will man sich darüber beklagen, daß die Juden die Herren der Welt geworden sind, und die grimmigsten Gegner der apostolischen Überlieferung wundern sich am meisten darüber. Man verbietet die Desinfektion und beklagt sich, daß man Wanzen hat. Das ist die charakteristische Idiotie unserer Zeit.”3)

Ich sehe keinen Anlaß, auch nur ein Wort dieser freundlichen Stelle zu ändern. Mehr denn je ist es für mich klar, daß die christliche Gesellschaft von einem ekelhaften Gezücht verpestet wird, und schrecklich ist die Gewißheit, daß es durch den Willen Gottes ewig leben soll.

Im Moralischen wie im Physischen scheint der moderne „Jude” alle Scheußlichkeiten der Welt in sich zu vereinigen.

~5~

Als ich im vergangenen Jahre in Hamburg war, besah ich mir wie jeder gewöhnliche Reisende auch den Judenmarkt.

Wie das abscheulichste Gerumpel aus aller Herren Länder auf diesem Markt, dessen Erbpächter die Juden sind, in wüsten Haufen durcheinander lag, das läßt sich kaum beschreiben. Es kam mir vor, als wäre alles, was das Leben verekeln kann, Gegenstand des Handelns für diese schmierigen Trödler. Ihr unterwürfig kriecherisches Geseire füllte mir die Ohren, ließ mich nicht los und blieb an mir haften, als hätte es mich mit tausendfingrigen, klebrigen Armen umschlungen.

Und alle diese habgierigen und kriecherischen Gesichter zeigten den gleichen furchtbaren Ausdruck der Verachtung, der Übersättigung am Göttlichen, der unwiderruflichen Scheidung von den anderen Sterblichen, und dieser Ausdruck ist ihnen allen eigen, wo immer sie auf dieser Erde wohnen mögen.

Denn das ist ein einzigartiges Gesetz, daß dieses Volk der Verfluchten die Verwerfung als Volk, deren es sich rühmt, nur mit dem unerhörten Verzicht auf den „Einzelnen” auf sich nehmen konnte. Das verworfene Volk hat niemals einen Mann wie Cäsar hervorbringen können.

Deshalb traue ich auch der geistreichen, aber wenig bekannten Überlieferung nicht recht, die dem römischen Volke Juden als Vorfahren gibt, und die behauptet, daß die Gefährten des Aeneas Benjamiten gewesen seien. (Zur Deutung der Wölfin mit den beiden Gründer-Zwillingen wird dabei auf die dunkle Weissagung des sterbenden Israel verwiesen -.„Benjamin LUPUS rapax, mane comedet praedam et vespere dividet spolia. Benjamin ist ein reißender Wolf; am Morgen frißt er den Raub, und am Abend teilt er die Beute aus.“4)

Die schmutzigen Trödler von Hamburg gehörten jedenfalls zu dieser Familie von Geizhälsen, die einander gleichen wie Zwillingsbrüder, Diener aller unreinen Dämonen des Judentums; denn die Juden bleiben sich immer gleich, wo sie auch herumschnorren, am Laufe der Donau, in Polen, in Rußland, in Deutschland, in Holland, sogar schon in Frankreich und im ganzen nördlichen Afrika, wo die Araber manchmal aus ihnen eine widerwärtige Salbe herstellen, mit der sie ihre räudigen Böcke einreiben.

Aber hoffnungslos übel wurde mir bei der Erscheinung der drei Greise!…

~6~

Ich nenne sie die drei Greise, weil ich nicht weiß, wie ich sie anders bezeichnen soll. Es gibt ungefähr fünfzig in dieser erwählten Stadt, die gar nicht stolz auf sie zu sein scheint; Ich bekam nur drei zu Gesicht, aber das genügte, um mich in hellen Schrecken zu versetzen.

Alles, was mich an die Gegenwart gemahnte, verschwand sofort für mich; die andern Juden, die mich mit den Ellbogen anstießen und wie Fliegen in einem Schlachthaus umherschwirrten, hatten aufgehört, zu existieren. Sie hatten kein Recht mehr dazu, da sie im Vergleich mit diesen drei Greisen überhaupt nichts waren.

Ihre Schmach, die ich eben noch für vollkommen und unübertrefflich gehalten hatte, hatte nicht den geringsten Reiz mehr für mich und wirkte fast wie etwas Edles im Vergleich mit diesem erdrückenden Schreckbild der Schande.

Der Anblick dieser drei Erscheinungen löste in mir ein solches Entsetzen aus, daß ich nur mit Hilfe einer Blasphemie diesen Eindruck symbolisch erklären kann.

Man stelle sich, wenn es möglich ist, die drei heiligen Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob vor, deren Namen, eingehüllt in ein undurchdringliches Geheimnis, das Delta, das gleichseitige Dreieck bilden, in dem hinter Vorhängen des Blitzes das unzugängliche Tetragramm ruht.

Kaum wage ich es zu schreiben — man stelle sie sich vor, diese drei Personen, die das menschliche Maß weit übersteigen, aus deren Lenden das ganze Volk des Herrn und Gottes Wort selbst hervorgegangen sind; man

nehme für einen Augenblick an, sie seien noch lebendig, sie hätten jahrhundertelang durch ein besonderes Wunder die Nachkommenschaft der Henker ihres großen gekreuzigten Sohnes überlebt und weiß Gott, auf Grund welch unvorstellbaren Rückkaufsrechtes hätten sie die vollkommene Verwerfung auf sich genommen, den namenlosen Schmutz, die unendliche Schande, den unerschöpflichen Schatz der Verwünschungen der Welt, das Hohngelächter der ganzen Erde, die Flüche der Hölle — und dann die immerwährende Verwunderung der Serephine und himmlischen Herrscher, ihnen zuzusehen, wie sie sich dahinschleppen im Schlamm der Jahrhunderte!…

~7~

Jawohl! im Geiste dieser Vision, die gewiß mancher für verrückt halten wird, personifizierten diese drei entsetzlichen Wesen das ganze unzerstörbare Volk, das seit fast zweitausend Jahren das Wunder ohnegleichen fertigbringt, seine Vernichter zu überleben und sich dabei ewig auf alle Höllen seiner substantiellen Verwerfung zu berufen.

Aber, mein Gott! welch furchtbare Ahnen!

Sie waren von so besonderem Rang, daß sie sich als ebenso erhaben wie abscheulich offenbarten. Unzählige Male hat man von Shakespeare bis Balzac — es ist furchtbar — den schmutzigen und krummen alten Juden hervorgezerrt, der nach Gold schnüffelt in den Kehrichthaufen, in den Kloaken der Menschheit, und es dann anbetet wie die Sonne der Schmerzen, wie einen Fürsprecher der Liebe, als ob es gleichartig und gleichewig wie sein einsamer Jehova sei.

In der Identität ihrer Personen verwirklichten sie dreifach dieses Ungeheuer, indem sie zum gewöhnlichen Schauder vor dieser alten literarischen Mythenbildung noch das maßlose Grauen vor ihrer leibhaftigen Gegenwart hinzufügten…

Abraham, Isaak und Jakob, herabgestiegen in diese unheilvolle Sphäre!… Denn meine Phantasie, vom Entsetzen gepeitscht, erkannte ihnen instinktiv diese heiligen Namen zu.

Doch ich gebe es auf, sie zu schildern, und überlasse diese dreizehnte Arbeit des Herkules denen, die das Aas beurkunden und das Weltall der Verwesungsprozesse beschreiben.

Trotzdem werde ich mich lange Zeit an diese drei unvergleichlich Zerlumpten erinnern. Immer noch sehe ich sie in ihren schmierigen Kaftanen, Stirn gegen Stirn über die Öffnung eines stinkenden Sackes gebeugt, der die Gestirne entsetzt hätte, in dem sich die unbeschreiblichen Waren irgendeines ursemitischen Handels — wie geeignet zur Ausbreitung des Typhus — häuften.

Ich schulde ihnen diese Ehrerbietung einer beinahe liebevollen Erinnerung, weil sie in meinem Geiste die großartigsten Bilder geweckt haben, die in die armselige Behausung eines sterblichen Geistes eingehen können.

Ich will das sofort erklären, so gut ich es kann.

Unterdessen behaupte ich mit der ganzen Kraft meiner Seele, daß eine Lösung der Judenfrage reiner Unsinn ist, es sei denn, man nähme zuvor das längst entschiedene Urteil auf eine wesentliche Einschränkung und Zwangsverwaltung des Vermögens Jakobs an, der, alt geworden, bei lebendigem Leibe verwest und keine Hoffnung auf Vergleich und Wiedereinsetzung in die Vermögensverwaltung hat, solange sein „Messias” nicht in strahlender Herrlichkeit auf die Erde herabgestiegen ist.

~8~

Bis dahin aber wird die vollkommene Gerechtigkeit des Himmels und der Hölle immer gebieterisch verlangen, daß man den Juden verabscheut, indem man ihn ausspeit. Ich weiß wohl, daß streng genommen die Israeliten unsere „Brüder” genannt werden können, — aber nur in einem Sinn, mit dem der engelhafte heilige Franziskus, der niemals einem Irrtum anheimfiel, die Pflanzen und Tiere unsere Geschwister nannte. Aber sie wie Brüder zu lieben, ist eine Forderung, die gegen die Natur ist. Das wäre das übergroße Wunder einer strahlenden Heiligkeit oder die Selbsttäuschung einer schwachsinnigen Frömmelei.

Es hat der ganzen Autorität eines Apostels bedurft, um zu bezeugen, daß „Elias uns gleich war”; denn dieser Prophet, dem das Feuer diente, schien viel mehr als ein Mensch gewesen zu sein; aber die Juden, die nach dem Hochamt des ersten Karfreitags geboren sind oder noch geboren werden, können niemals uns gleich sein.

Ihr unseliges Blut, das sich durch all die Jahrhunderte jeder Vermischung widersetzte, zeigt uns überdeutlich ihren wunderbaren Ausnahmezustand in der Welt.

Es ist ja trotz allem der Wurzelstock Unseres Herrn Jesus Christus und als solcher folglich aufbewahrt und unausrottbar und unvergänglich, wenn auch schrecklich beschnitten am Tage nach dem feierlichen „Crucifigatur”, aber doch unberührt an seinem Stock, dessen Wurzeln bis tief in den Schoß des göttlichen Willens reichen.

Daher kommt es, daß sie alle im Wesen einander unverwüstlich gleich sind und restlos eingegangen sind

in die äußere Erscheinung jener schreckenerregenden Greise. Die schwarzen Lumpen und der greisenhafte Gestank ändern daran gar nichts, und hier liegt auch der Grund, daß ich alle die heutigen Millionäre, die Männer und Frauen, die der Stolz unserer parfümierten Synagogen sind, so deutlich in den drei oben erwähnten Gerippen wiedererkannte.

Die Geschichte der Juden hält die Geschichte des Menschengeschlechtes auf, wie ein Damm einen Fluß staut, um den Wasserspiegel zu heben. Sie stehen fest wie für die Ewigkeit, und wenn man mit ihnen zusammenstößt, kann man sie nur mit mehr oder minder großem Anlauf überspringen, ohne Hoffnung, sie je zu vernichten.

Man hat es oft genug versucht, nicht wahr? und man könnte der Erfahrung von nahezu sechzig Generationen wohl glauben. Herrscher, denen nichts widerstand, versuchten, sie auszulöschen. Untröstlich über die Beschimpfung des lebendigen Gottes, rottete sich die Menge zu ihrer Vernichtung zusammen. Der symbolische Weinberg im Testament der Erlösung wurde unermüdlich von diesem giftigen Ungeziefer gereinigt; und doch erfüllte unter der unbarmherzigen Vormundschaft mehrerer Millionen ach so guter Christen dieses unter zwanzig Völkern zerstreute Volk all die Zeiten hindurch sein ehernes Schicksal, das einfach darin bestand, nicht zu sterben, immer und überall in Stürmen und Ungewittern die Hand voll wunderbaren Schlammes zu verwahren, von dem in der Heiligen Schrift gesprochen wird, und den es für das göttliche Feuer hält.5)

An diesem Nacken des Ungehorsams und der Treulosigkeit, den Moses so hart fand, hat sich die Wut der Menschen verbraucht, so wie sich an einem Amboß aus hartem Metall alle Hämmer abnützen müssen. Der Degen der Ritterschaft ist an ihm schartig geworden, und der stahlharte Säbel der Muselmänner ist ebenso daran zerbrochen wie der Knüttel des gemeinen Pöbels.

Es ist also erwiesen, daß nichts gegen sie auszurichten ist, und wenn man bedenkt, was Gott erduldet, so muß sich ein religiöser Mensch angesichts des unerforschlichen Dunkels ohne Voreingenommenheit und ohne den dummen Haß fragen, ob sich schließlich nicht ein unendlich anbetungswürdiges Geheimnis unter der mannigfaltigen und maßlosen Schande dieses verwaisten Volkes verbirgt, das, von allen Gerichten der Hoffnung verurteilt, vielleicht doch einmal am Tage des Jüngsten Gerichtes Berufung einlegen wird.

~9~

Geduld! Hört dies, ihr Armen, für die Christus leiden wollte.

Wenn sich einmal ein leidenschaftlicher Verehrer meiner Werke fände, so könnte dieser Unglückliche vielleicht mit Hilfe des Himmels auf folgende Worte stoßen, die wahrscheinlich ebenso unbekannt sind wie die früher zitierten:

„Man hat schon viel über das Geld geschrieben. Die Politiker, die Ökonomen, die Moralisten, die Psychologen und die Mystagogen haben sich bis zur Bewußtlosigkeit darüber ausgelassen. Aber ich finde, keiner von ihnen hat jemals auch nur annähernd etwas von dem tiefen und ganz außerordentlichen Geheimnis zum Ausdruck gebracht, das in diesem erstaunlichen Wort verborgen ist.

Die biblische Exegese hat als bemerkenswerte Einzelheit hervorgehoben, daß in der Heiligen Schrift das Wort „Geld”6) sinnverwandt und bildlich für das lebendige Wort Gottes steht.7) Daraus ist zu folgern, daß die Juden, die alten Verwahrer dieses Wortes, denen diese Aufgabe genommen wurde, weil sie das Wort, als es zum Fleisch des Menschen geworden war, ans Kreuz geschlagen haben, auch nach ihrer Absetzung sein Götzenbild zurückbehielten, um ihr Schicksal zu erfüllen und nicht ohne Berufung auf der Erde umherzuirren.

Kraft einer göttlichen Bestimmung also sollen sie — wie, tut nichts zur Sache — den größten Teil der Güter dieser Welt besitzen. Eine große Freude für sie! aber welchen Gebrauch machen sie davon?8)

Was sie mit dem Gelde tun, will ich euch sagen: sie kreuzigen es.

Ich bitte diesen ungebräuchlichen Ausdruck zu entschuldigen; aber ich glaube, wenn man es recht bedenkt, ist er nicht närrischer als jener andere „Vom Gelde leben”, dessen faktische Ungeheuerlichkeit den zahllosen Menschen, die ihn gebrauchen, vor Schrecken den Mund schließen würde, käme sie ihnen zum Bewußtsein.

Ich habe genau das gesagt, was ich sagen wollte: Sie kreuzigen es, weil es zur jüdischen Art gehört, zu vernichten, was göttlich ist.

Die Symbole und Gleichnisse der Heiligen Schrift sind für alle Zeiten, da die unfehlbare Kirche niemals die Bilder der Heiligen Schrift für nichtig erklärt noch jemals ihre Prophezeiungen aufgegeben hat. Allein die Ewigkeit ist ihr Maß, und, nachdem sie es eifersüchtig bewahrten bis zu dem Augenblick, da sie es mit ihren irdischen Augen erkannten, haben die Juden das fleischgewordene Wort getötet und damit, ohne es zu wissen, die furchtbare Strafe auf sich genommen, an ihre Freveltat ewig gefesselt am unzerstörbaren Symbol ingrimmig das fortseien zu müssen, was sie am leidenden Fleisch des wahren Gottes vollbracht hatten.

Das Geld kreuzigen? Das heißt es an den Galgen hängen wie einen Dieb, das heißt es zur Schau stellen, es sichtbar erhöhen vor allen, es trennen vom Armen, dessen Substanz es ist!

Das Wort, das Fleisch, das Geld, der Arme… einander entsprechende Begriffe, Worte, die dem Wesen nach eins sind, die alle das Gleiche, Unsern Herrn Jesus Christus, in der Sprache bezeichnen, die der Heilige Geist gesprochen hat.

Denn, sobald man an das eine oder andere dieser erschreckenden Bilder rührt, die so zahlreich sind, eilen alle auf einmal herbei und stürzen brüllend von allen Seiten wie reißende Bäche in einen einzigen großen Abgrund.

— Ich bin es, ruft jedes von ihnen.

— Ich, das Geld, ich bin das Wort Gottes, der Erlöser der Welt! Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, der Vater des kommenden Jahrhunderts!…

— Ich, das Wort, ich bin das Geld, die Auferstehung, der starke Gott, der gute Wein, das lebendige Brot und der Eckstein!…

— Ich, das Fleisch, das schwache Fleisch, ich bin dennoch die Freude der Engel, die Reinheit der Jungfrauen, das Lamm der Sterbenden und der gute Hirte der Toten!…

— Und immer ich, ich, der Arme, der Vater der Armen, ich bin der Schatz der Gläubigen, ein Schatz des Gewürms und der Niedrigkeit und gleichzeitig der König der Patriarchen und die Stärke der Märtyrer! Ich, ich bin der Sklave, der Ausgespieene, der Gedemütigte, der Aussätzige, der schreckliche Bettler, von dem alle Propheten gesprochen haben… und dennoch der Schöpfer der Milchstraßen und Spiralnebel!

Aber wer hätte Gedanken, würdig solcher Gegenstände?

~10~

Ach, was für ein Gebet war das doch, als Jesus seinen Vater bat: „Vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!” Und welch vermessene Lästerung zu wünschen, daß dieses Gebet nicht hätte erhört werden dürfen, eine solche Fürbitte im Tode, die alles übertreffen mußte, was die Menschen oder die Geister des Himmels fassen oder ahnen können.

Wie es in der Natur der Stimme Gottes liegt, in einem Nu überall hinzustürzen, so mußte auch dieser Ruf die Kruste des Erdballs durchstoßen und laut widerhallen in den düsteren Gängen der Erde, in denen die gefährlichen Metalle aufgehäuft und sorgfältig bewacht werden von der Verzweiflung der gestürzten Engel.

Das gefühllose Geld, das verfluchte und heilige Geld, um dessentwillen Gott wollte, daß man ihn wie ein Stück Vieh verkaufe, damals wurde es zum Schrecken für das Menschengeschlecht mit dem Recht einer geheimnisvollen und tief symbolischen Nachfolge belehnt, deren Verwalter die Kinder Jakobs sein sollten.

In einer unfaßlichen Verblendung, die allen Jammer übersteigt und jedes Mitleid entmutigt, setzte ein Volk, verdammt, nicht unterzugehen, das bleichste der Metalle an die Stelle des totenblassen Gottes, der zwischen zwei Straßenräubern starb.

Ich halte es darum für alles andere als eine unschuldige Kinderei, wenn der Neid der Krämer halsstarrig das schwermütige Volk der Juden des Treubruchs und der grenzenlosen Gier beschuldigt. Besser wäre es zweifellos, man nähme sich die Mühe, und wäre es auch nur für einen Augenblick der Erleuchtung, durch die stinkende Rauchsäule hindurch, die immer über der Kriegsstirn dieses Volkes hängt, das ungeheuerliche Schauspiel seiner endlosen Züchtigung anzuschauen.

Ich sagte schon, man hat in allen Jahrhunderten und in allen Reichen der Erde ganz vergebens die Juden erschlagen, geröstet und ausgeraubt. Sie werden unweigerlich und übernatürlich von Gott selbst gezwungen, die abscheulichen Schweinereien zu begehen, die sie benötigen, um ihre Schande als ein Werkzeug der Erlösung zu beglaubigen.

Man könnte heute das gleiche Gemetzel mit dem gleichen Mißerfolg wiederholen, denn es ist ihnen absolut unmöglich, das nicht zu sein, was sie sind, und um Gnade zu finden, ist es für sie allermindestens erforderlich, daß Elias erscheint und aus den Händen und Füßen Christi die Nägel herausgezogen werden.

~11~

Sympathie für die Juden ist unbedingt ein Zeichen von schändlicher Gesinnung. Wer keinen instinktiven Widerwillen gegen die Synagogen hat, verdient nicht einmal die Achtung eines Hundes. Ich spreche das aus wie ein Axiom der Geometrie, ohne Ironie und ohne Bitterkeit.

Mich kümmert wenig, was die Theologen und die Ökonomen ihnen vorwerfen. Mir genügt vollauf zu wissen, daß sie das größte Verbrechen begangen haben, mit dem verglichen alle anderen Verbrechen Tugenden sind, die Sünde ohne Namen und Maß, die an die göttliche Integrität rührt, und die niemals vergeben werden könnte, wenn nicht Jesus, trunken vor Qualen am Kreuz des Wahnsinns, mit einem Gebet, das gegen alle Vernunft scheint, Fürsprache eingelegt hätte.

Grenzenlos haben sie den Armen verachtet. Sie haben ihn so verachtet, daß sie, um ihn in ihrer Art beschimpfen und quälen zu können, von überall her zu Hilfe riefen die Kraft jenes unterirdischen Feuers, das ihren ererbten Rachegelüsten gegen einen Sabaoth entstammt, der sie einst für ihre Übertretungen so grausam gezüchtigt hat.

Mit der Geduld von Millionen Ameisen, die sich emsig daran machen, ein Gebirge zu bauen, mußten sie im voraus Geschlechterfolgen hindurch gegen den freiwillig wehrlosen „Menschensohn” die wildesten Zeugnisse jenes unversöhnlichen Buches zusammentragen, in dem der Geist des Gottes Israel seinen Zorn aufgeschrieben hatte.

Indem sie gegen ihn die furchtbare Drohung ihrer

alten Schriften kehrten, schienen sie zu ihm zu sagen: „Dein Vater hat uns mit Ruten geschlagen, wir aber wollen dich mit Skorpionen geißeln”9) und „Wir werden dein Fleisch mit Dornen und Disteln der Wüste wund schlagen”10).

Das Geschrei der Besessenen, das dem Urteilsspruch voranging und wie ein „basso continuo” diese maßlose Marter begleitete, war sicherlich der vollkommenste Ausdruck des menschlichen Grauens vor der Armut.

Dieser übernatürliche Wahnsinn wird niemals überboten, und wenn der verrückte Pöbelhaufen wie eine Brandung über die Leichen der „zwei Zeugen” rollt, deren Opferung die Apokalypse prophezeit, so kann das nicht erschreckender sein.

Man braucht keine dicken exegetischen Kommentare durchgearbeitet zu haben, um zu wissen, daß Jesus — wie es auf jeder Seite des Alten und Neuen Testamentes steht — wirklich der wahre Arme war, der Ärmste der Armen, unergründlich ärmer als der ganz von Würmern zerfressene Hiob, um zu wissen, daß er, der einsame Diamant, der orientalische Karfunkel der herrlichen Armut, ja, daß er entsprechend der Ankündigung der unbeirrbaren, vom Volk gesteinigten Propheten die ganze zur Person gewordene Armut war.

Er hatte, wie eine Heilige sagte, als Begleiterinnen die „drei Armuten”. Er war arm an Gütern, arm an Freunden, arm an Sich Selbst, und das zwischen den glitschigen Wänden im Schacht des Abgrundes in den Tiefen der Tiefe.

Da er Gott war und nur zu uns kam, um zu beweisen, daß er Gott sei, auch wenn er als der wahrhaft Arme erschien, so war er der Arme in der ganzen Strahlenpracht und Fülle seiner göttlichen Eigenschaften.

Es gab also kein anderes Schlachtopfer als den Armen, und die absolut unbegreiflichen Orgien dieser immerwährenden, täglich neuen Passion, deren Schrecken nicht einmal der Atheismus zu vertuschen imstande ist, kann man keinem Menschen klar machen, der nicht weiß, was Armut und was nach den Worten des Propheten Isaias, der die zukünftigen Dinge weissagte, und der zwischen zwei Pfählen zersägt wurde, die „Erwählung im Feuerofen der Armut” ist.

~12~

Die Juden haben für immer die Ehre, für den Haß gegen den Armen der Menschheit Martern in die Hand gegeben zu haben, deren Format alles bisher Dagewesene weit übersteigt.

Sie kannten die Ungeheuerlichkeit ihrer Aufgabe so gut, daß sie die Dornenkrönung erfanden, damit in Zukunft niemand mehr daran zweifle, daß sie die Macht besessen hatten, einem wahren König die rechten Insignien der Erniedrigung und des Schmerzes zu geben.

Es war eine bis dahin beispiellose Zeremonie, deren tiefen Sinn die Gelehrten des Alten Tempels kennen mußten. Die Dornen sind seit dem Sündenfall der wesentlichste Bestandteil der höchsten Verfluchung und „die Ernte der Dornen an Stelle des Getreides” ist eine spezifisch hebräische Redensart.

Gewiß erinnerten sie sich an den Ruf des klagenden Propheten: „Demütigt euch und setzt euch auf die Erde, beklagenswerte Schar des Herrn, denn die Krone eures Ruhmes ist euch vom Haupte gefallen”11); und vielleicht erweckten die Blumen lebendigen Blutes, die aus der Stirne Christi erblühten, in ihnen eine ingrimmige Erinnerung an das „Coronemus rosis” aus dem gottlosen Liede im Buche der Weisheit.12)

Aber wußten diese grausamen und höhnischen Schriftgelehrten, daß diese schreckliche Krone für immer über sie herrschen sollte und sie härter als Pharao drücken würde, da sie ja dem sterbenden Haupte Dessen aufgesetzt wurde, der keinen anderen Nachfolger hatte als das verruchte Geld, dessen elende Sklaven sie nach seinem Tode wurden?

Denn das ist ein beunruhigendes Geheimnis. Der Tod Jesu trennte von Grund aus das Geld vom Armen, das Abbild vom Urbild, ganz so wie sonst der Tod den Leib von der Seele scheidet.

Die katholische Kirche, geboren aus dem göttlichen Blute, bekam den Armen als ihren Teil; die Juden aber, eingesperrt in die uneinnehmbare Festung einer störrischen Verzweiflung, bewachten das Geld, das bleiche Geld, das sie mit ihren ruchlosen Dornen zerkratzt und durch ihre Anspeiungen entehrt hatten, — so wie sie ohne Grab den verweslichen Leichnam eines Gottes bewacht hätten, damit er die Welt verpeste!

~13~

Aber wer mag sich für diese ehrwürdigen Bilder interessieren, von denen die Welt einmal gelebt hat, und wer wird sich die Mühe geben, sie zu verstehen? In einer Arbeit wie der vorliegenden jedoch kann man kaum ohne sie auskommen, und wie sollte ich jener entmutigenden Gewißheit entfliehen, daß man mich nicht verstehen wird?

Bisweilen sehen sie so widerspruchsvoll aus, diese uns mehr oder weniger geläufigen Namen, deren buchstäblicher Sinn so verschieden und deren geistige Bedeutung unveränderlich die gleiche ist, die alle in ihrer Weise die unendliche Substanz meinen und nur Schleier aus einem schillernden Stoff sind vor dem einen Zelte Gottes.

Man ist versucht zu glauben, sie hätten nichts miteinander zu tun, oder sie wären launisch, weil sie sich manchmal aufeinander stürzen und sich gegenseitig zu verschlingen drohen oder ineinander aufzugehen scheinen. Betrachtet man sie scharf, so schießen sie plötzlich zusammen und bilden eine Front, um sich sogleich wieder von neuem zu zerstreuen, wenn man sie fassen will.

Und wenn man sich, des Treibens müde, abwendet und eitle Schattenbilder in den rätselhaften Spiegeln dieser Welt betrachtet, dann kommen sie unvermutet wie listige Quälgeister wieder heran und umgeben den Geist wie eine stumme Mauer.

Was hilft es uns zu wissen, daß sie Wellen des gleichen Meeres sind, und daß sie die Dämme der absoluten Einheit nicht durchbrechen können; aber ihr ewig wogender Anblick und der offensichtliche Widerstreit ihrer Farben machen jede klare Erkenntnis zuschanden, auch wenn man sich noch so viel Mühe gibt.

Man muß sich damit zufrieden geben, immer nur momentane, blitzartige Erleuchtungen zu erhalten, denn Jesus selbst, der, wie er sagte, gekommen ist, alles zu „erfüllen”, hat nur in Bildern und Gleichnissen gesprochen.

Die Auslegung der Heiligen Schrift galt früher als die herrlichste Aufgabe des menschlichen Geistes, da ja nach dem Zeugnis des unfehlbaren Salomo „es Gottes Herrlichkeit ist, sein Wort zu verbergen”.13)

Das war die Zeit der Herren und die ruhige Herrschaft der hohen Spekulation. Jetzt aber ist die Stunde der Knechte und der endgültige Sieg der niederen Neugier.

Es ist also vergebliche Hoffnung, die geringste Aufmerksamkeit zu erwarten, und ich würde mich hüten, sie zu beanspruchen, wüßte ich nicht, daß man in den Schafställen des Hirten Hungers stirbt, und daß schon viele Stimmen laut werden, die sehnlichst die Ankunft des kommenden Reiches herbeiwünschen, in welchem, wie die Vorsehung verheißen hat, die Armen im Geiste gesättigt werden sollen.

Leider kann ich meine ehrgeizigen Zeitgenossen auf keinen authentischen Offenbarer des Kommenden hinweisen. Die Verwaltung der Mysterien ist nicht mein Amt, und die zukünftigen Dinge sind mir nicht in Verwahrung gegeben. Die heutigen Propheten, die sich nicht durch das kleinste Wunder auszuweisen vermögen, können von niemandem ernst genommen werden.

Aber wenn es wahr ist, daß man nach Propheten verlangt, — als natürliche Folgerung aus dem Geselj des Glaubens, daß sie eines Tages kommen müssen, so möchte ich wohl wissen, warum sie niemals von dem auserwählten Volke verlangt werden, aus dem alle Vermittler der Befehle Gottes hervorgegangen sind.

~14~

Ich weiß wohl, daß es die Geschichte vom Feigenbaum gibt, der verflucht wurde, weil er keine Frucht trug, als es Jesus hungerte. Allerdings war es „noch nicht die Zeit der Feigen”, wie das Evangelium ausdrücklich vermerkt.

Es sagt auch, daß man noch nicht zu verzweifeln braucht, wenn man nur die Erde um ihn herum lockert und sie mit Jauche begießt.14) Ein wenig Geduld; es ist immer noch Zeit, ihn umzuhauen, wenn er trotzdem keine Frucht tragen will.

Dieser leere Feigenbaum, der dem armen Christus nichts geben kann, weil die Zeit seiner Feigen noch nicht gekommen ist, interessiert mich leidenschaftlich; denn er ist unbestreitbar das Symbol des jüdischen Volkes, dessen Fruchtbarkeit er unvergleichlich ausdrückt.

Aber da er, die Fülle einer legten Fruchtbarkeit erhoffend, auf die Sintflut der Jauche wartete, mußte er da nicht diesem ungeduldigen Erlöser, der ihn verflucht hatte, trotzdem eine Frucht geben, gleichgültig welche, und darf man nicht vermuten, daß er diese Frucht bot in dem Augenblick, als sich der undurchschaubare Verräter, der das zwiespältige Volk so gut in sich verkörperte, gerade an diesem Baum der Verzweiflung erhängte, unter dessen Laubdach all die guten alten Hebräer in Frieden saßen?

Es muß das Erstaunen der himmlischen Geister erregen, wenn sie — seit dieser ersten grausigen Frucht — das Schicksal der Juden vergleichen mit den alten Verheißungen ruhmreicher Herrschaft und Freude „in aeternum”, mit denen die Heilige Schrift angefüllt ist.

Bei der Ankunft des Messias, auf dessen Erscheinung in Armut sie seit zweitausend Jahren so gar nicht vorbereitet waren, ist alles Geistige, das sie besaßen, von ihnen gewichen, und sie offenbarten sich in ihrer fleischlichen Natur als götzendienerische Geldzähler.

Judas ist ihr Bild, ihr vollkommenes Urbild, oder anders gesagt, das Schulbeispiel, nach dem sie ihren Geiz in immer neuen Formen gemein abwandeln, so daß man glauben könnte, sie wären alle gleichzeitig mit den Eingeweiden aus dem geplagten Bauche dessen getreten, der Gott verschacherte.

Er war ein gemeiner Gauner, ein Kleptomane, wie der milde Evangelist Johannes sagt, und „er hatte den Beutel”. Er hat ihn noch, mehr denn je, und ausschließlich das verschafft uns das edle Schauspiel der journalistischen Entrüstungen des hirnverbrannten Verächters Sems (Drumont).

Das Mittelalter, das kaum den Begriff des Geldbeutels kannte, und dessen Herz vor Liebe schlug, kam niemals über die dreißig Silberlinge hinweg, die ihm vielleicht wie eine fabelhafte Summe vorkamen. Es hätte diese Summe gerne kleiner gewünscht, damit die Schande seines Gottes noch inniger verschwistert würde mit der Demut der Leidtragenden, die in seinem Namen um Almosen baten.

Die damaligen Christen begriffen sehr gut, daß es in dem personenreichen Drama des Karfreitags im Grunde nur zwei Spieler gab: die Juden und den Armen. In ihren einfältigen Herzen hielten sich dieWaage schmerzliche Anbetung und grenzenlose Verabscheuung. Alles andere überließen sie den gescheiten Doktoren, die lateinisch sprachen.

Ich weiß nicht mehr genau, wo ich die etwas naive Geschichte jenes alten Ritters gelesen habender als einer unter den vornehmen Notabein den Vorsitz führte in einer Synode, die zur kirchlichen Aburteilung eines aufsässigen Rabbiners berufen war, der schändliche Glossen über die Jungfrau Maria in Umlauf gesetzt hatte.

Der lange Disput, in dem der freche Beschnittene die unerfahrenen, ihm gegenübergestellten Theologen mit Leichtigkeit in Verwirrung gebracht hatte, war beendet. Es herrschte jetzt die verdächtige Stille, die der Fällung eines erbarmungslosen Urteils vorangeht; da erhob sich langsam und bedächtig der alte, in Eisen gekleidete Mann, der bisher kein Lebenszeichen von sich gegeben hatte, und stieg aus dem alten eichenen Gestühl herunter, wo er geschlafen zu haben schien, trat auf den Talmudisten zu und sagte:

„Jude, du hast gut gesprochen, aber ich habe noch ein Argument, an das du nicht gedacht hast, und auf das du keine Antwort mehr geben wirst.”

Bei diesen Worten zog er sein ungeheures Schwert aus der Scheide, das er einst aus Palästina mitgebracht hatte, und spaltete ihn mit einem Hieb vom Scheitel bis zur Sohle wie einen hinterlistigen Sarazenen.

Solche Anekdoten sind recht, um Dummköpfe zu ärgern und die Phantasie guter Christen zu erfrischen.

~15~

Demütiges und großes Mittelalter! Wie müssen alle dich lieben, denen das Geschrei des Ungehorsams mißfällt, und die zurückgezogen in der Verborgenheit ihres Herzens leben!

Die letzten drei Jahrhunderte haben viel dazu beigetragen, das Mittelalter aus der Geschichte auszustreichen oder in Verruf zu bringen, indem sie die herrlichen, dichterischen Kräfte des alten Abendlandes auf jede Weise vergifteten. Es gibt sogar eine neue Richtung quellenkritischer Historiker, deren dauernde Sorge dieses häßliche Geschäft ist.

Aber ich glaube, solange Menschen leben, werden die Tausend Jahre der Tränen, der blutigen Torheiten und der Ekstasen immer den Händen der Federfuchser entgleiten; und es ist eine seltsame Feststellung, daß gerade die Juden die treuesten Zeugen und authentischsten Bewahrer dieses kindlichen Mittelalters sind, obwohl es sie aus Liebe zu Gott verabscheute und so oft ausrotten wollte.

Zu Beginn erinnerte ich an jene drei unsauberen und doch so gewaltigen Personen, die ich in Hamburg betrachten durfte, — Wesen, die so gut in ihrem eigenen Urin konserviert waren, die so unverändert, so wunderbar unversehrt in ihrem Sein waren, ganz wie ihre Vorfahren und Anverwandten. Ich hatte damals das würgende Gefühl im Halse, als stünde ich derselben Gesellschaft gegenüber, welche die Menschen, die unter der Regierung Philipp Augusts oder Friedrich Barbarossas lebten, zum Erbrechen brachte, die Menschen, die noch

gestorben sind in der Erinnerung an Christi Tod, die nun aber längst zerstreut sind, wie der Same in die Erde oder in die Winde des Himmels zerstreut wird.

Ich ahnte die ungeheure Größe dieser fernen Zeit, da die streitende Kirche, welche die Welt bezwang und als unbefleckt Empfangene ihren Fuß auf den Nacken der Könige setzte, doch ihre Macht an einem Volk des Gewürms zerbrach, das ihr widerstand, ohne zu sterben.

Man könnte wohl sagen, daß dieses unüberwindliche Hindernis sie auf der Höhe des Sieges aufmerksam machte auf ihre unsichere Situation als Braut eines blutenden Gottes, dem alles widerstanden hatte.

Angewachsen zum brausenden Meer, mußte sie das bündige Verbot des Herrn auf sich beziehen: „Bis hierher sollst du kommen und nicht weiter, hier wird der Hochmut deiner Wogen brechen”.15)

Und doch, der Krieg gegen die Juden war innerhalb der Kirche immer nur die fehlgeleitete Anstrengung eines großen Liebeseifers, und so schürte sie denn auch das Papsttum gegen die Wut einer ganzen Welt.

~16~

Exspectans exspectaui: Sehnsüchtig habe ich gewartet, sangen die Christen, wenn sie der Auferstehung der Toten entgegensahen.

— Exspectaveram et adhuc exspectabo: Ich wartete bis heute und ich werde weiter warten, berichtigten mit tiefem Sinn die Seufzer Israels. Ich habe gewartet und werde warten. Euer Messias ist nicht mein Messias, und wenn alle eure Gräber sich öffneten, ich würde immer noch warten.

Die geduldige Kirche Christi betrachtete schweigend diese für immer ihres Amtes Enthobenen, die gestärkt wurden von einer unsagbaren Hoffnung, und deren schreckliche Strafe kein Erlöser hätte tragen können, — während die Basiliken und Klöster die Glocken läuteten zum Ruhme eines jüdischen Kindes, das in der Schande gestorben war, um die Unsteten zu erlösen.

Das Schluchzen oder Jubeln der Glocken, das in allen christlichen Reichen die Herzen vor Liebe erzittern ließ, klopfte vergebens an bei den verstockten Waisenkindern Leviathans.

Gläubiger einer unvergänglichen Verheißung, welche die Kirche für erfüllt hielt, und pochend auf einen ewigen Pakt, der gegen dreihundertmal vom Heiligen Geiste aufgezeichnet ist, billigten sie dem Sohn Mariens nicht einmal den gleichen Rang zu wie jenem aussaugen König, der über Jerusalem herrschte, und der als schrecklicher Bewohner eines einsamen Hauses „voll des Aussatzes war bis zu seinem Tode”, zur Strafe dafür, daß er das Rauchfaß der Söhne des Hohenpriesters geschwungen hatte.16)

Wie mußten diese halsstarrigen Vagabunden, die immer meinten, die Herrlichkeit des Gottes Ezechiels bedürfe ihres Ruhmes, die schmerzvolle Liturgie des Christentums verachten.

Mochte die Kirche ihnen auch sagen: „Wer seinen Bruder, einen Sohn Israels, verkauft und den Kaufpreis nimmt, muß den Tod erleiden”17), — die ganze Nachkommenschaft Jakobs konnte ihr antworten:

— Wenn du glaubst, daß wir wie Kain sind, weil wir unstet und flüchtig sind auf der Erde, so denke daran, daß der Herr diesen Mörder mit einem Zeichen kenntlich gemacht hat, damit die, welche ihn finden, ihn nicht erschlügen18), und nun siehe, wie eitel deine Drohungen sind, uns auszurotten.

Wir haben das Ehrenwort Gottes, der uns einen ewigen Bund geschworen hat, und wir weigern uns, ihn zu lösen. Dieses Gotteswort bleibt für immer bestehen, und wenn es sich erfüllt, werdet ihr unsere Sklaven sein.

Wenn es Gottes Sohn ist, den wir gekreuzigt haben, so rette er sich selbst, dieser Retter der andern, da wir ja versprochen haben, an Ihn zu glauben, wenn er von seinem Kreuz herabsteigt.

~17~

Und die Mutter der Gläubigen, erstarrt vor Entsetzen, singt immer noch in der majestätischen Ruhe ihrer Liturgie die erhabenen Lamentationen:

„Wie kauert sie in der Einsamkeit, die volkreiche Stadt? Sie ist eine Witwe geworden, die Herrin der Völker, und die Königin der Länder ist zinspflichtig.

Schluchzend weint sie in der Nacht, und die Tränen laufen über ihre Wangen; da ist keiner ihrer Geliebten, der sie tröstet: alle ihre Freunde verachten sie und sind ihre Feinde geworden.

Juda ist fortgezogen wegen der Trübsal und der schweren Knechtschaft. Sie wohnt unter den Heiden und findet keine Ruhe; alle ihre Verfolger halten sie gefangen in bitterer Bedrängnis.

Die Straßen Sions weinen, weil niemand auf ein Fest kommt: alle Tore sind zerstört, die Priester seufzen, die Jungfrauen sind verweint, und Sion selbst versunken in Bitterkeit.

Die Fremden haben sich an ihre Spitze gestellt, und ihre Feinde sind reich geworden, weil der Herr die Juden gerichtet hat wegen der Menge ihrer Sünden. Ihre Kinder sind fortgeführt in die Gefangenschaft vor das Angesicht ihres Peinigers.

— Jerusalem, Jerusalem, bekehre dich zu Gott, deinem Herrn!

Und abgefallen ist von der Tochter Sion aller Schmuck: ihre Fürsten sind wie Widder, die keine Weide finden, und sie gehen kraftlos vor dem Angesicht der Treiber.

Jerusalem gedenkt des Tages ihrer Trübsal und der Unbeständigkeit all ihrer Güter, die sie hatte von alters her, da ihr Volk in feindliche Hand fiel und nirgends Hilfe war. Die Feinde sehen sie und spotten ihrer Sabbate.

Jerusalem hat schwer gesündigt, darum ist sie unstet geworden. Alle, die sie rühmten, verachten sie, weil sie ihre Schmach gesehen haben; sie aber hat sich seufzend abgekehrt.

Ihr Unflat klebt an ihren Füßen, und nicht denkt sie ihres Endes. Sie ist schrecklich niedergeschlagen und hat keinen Tröster. Siehe, oh Herr, meine Trübsal, da der Feind sich aufgerichtet hat.

— Jerusalem, Jerusalem, bekehre dich zu Gott, deinem Herrn!

Seine Hand hat der Feind auf alle ihre Kleinode gelegt; denn sie sah die Völker eintreten in ihr Heiligtum, die nach deinem Gebot nicht in deine Kirche eingehen sollten.

All ihr Volk seufzt und es sucht sein Brot; sie haben alle Kleinode hingegeben, daß sie Speise hätten zur Stärkung ihrer Seele. Siehe, oh Herr, und schaue, wie ganz schnöde ich geworden bin.

Oh alle, die ihr am Wege vorübergeht, merkt auf und seht, ob ein Schmerz sei wie mein Schmerz; denn der Herr hat mich abgeerntet wie einen Weinberg; also hat er gesagt am Tage der Entfesselung seines Zornes.

Er hat das Feuer aus der Höhe in meine Gebeine gesandt und mir den Sinn geöffnet. Er hat das Netz vor meine Füße gestellt und mich gezwungen, umzukehren; er ließ mich ohne allen Trost und alle Tage voller Schwermut.

Aufgewacht ist das Joch meiner Sünden in seiner Hand: sie sind aufgerollt und auf meinen Nacken gelegt; ganz schwach ist meine Kraft geworden, und der Herr hat mich in eine Gewalt gegeben, der ich nicht entrinnen kann.

— Jerusalem, Jerusalem, bessere dich aus Liebe zu deinem armen Gott, der dich anfleht!“19)

~18~

„Jesus wird bis zum Ende der Welt im Todeskampf liegen”, schrieb Pascal, vielleicht der Beklagenswerteste unter den großen Menschen, die sich sehr getäuscht haben.

Ein Gedanke von hoher, schwermütiger Schönheit, den dieser wilde Jansenist selber wahrscheinlich nicht hätte erklären können, und der in seinen Augen nur ein starker Ausdruck für ein Mitleiden sein konnte.

Wie sehr jedoch diese Verbindung von Silben ein tiefes Herz zu ergreifen vermag, das nicht bloß menschliche Wahrheit in ihr erblickte, das läßt sich kaum mit Worten sagen…

In großer Liebe hatte das Mittelalter begriffen, daß Jesus immer gekreuzigt wird, immer Blut vergießt, immer stirbt, verhöhnt von der Menge und verflucht von Gott selbst nach dem genauen Wortlaut des alten Gesekes: „Wer an einem Holz hängt, ist von Gott verflucht”20). Wie hätte es da die Juden nicht verabscheuen sollen?

Wie gegenwärtig und lebendig war für das Mittelalter die Passion, wie warm noch und wie rot das Blut Christi, und wie laut tönte in seinen Ohren das fluchwürdige Geschrei!

Brüllte nicht dieses dämonische Volk dem Feigling zu, der nun auf ewig verdammt ist, seine mörderischen Hände zu waschen: „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder”? Dieser Forderung mußte entsprochen werden, damit durch die ewige Verachtung eines ganzen Volkes der Strafvers des Neuen Testamentes erfüllt werde, das prophetisch ist wie das Alte, von dem gesagt wurde: „Nicht ein Jota oder ein Punkt wird vergehen, solange Himmel und Erde bestehen.”

Die Leiden Jesu waren das Brot und der Wein des Mittelalters, seine Grundschule und die hohe Zinne seines Klerus. Sie waren seine Wohnung, sein Herd, voll von Gluten und Funken, sein Geburts-und Sterbebett und oft das Paradies seiner Heiligen, die nicht anders zu leben wußten als mit der Mutter der Sieben Schmerzen und dem guten Schacher zu weinen in alle Ewigkeit.

Sie waren und mußten sein die große Erregung, die immer neue Dichtung, der immer neue Höhepunkt eines Dramas voll banger Qual für eine einfache Menschheit, in welcher die Gaben der Begeisterung und Liebe mit einer Herrlichkeit leuchteten, wie sie nur die Glut des Heiligen Geistes eines Tages wieder anzünden kann.

Die Armut des Herrn wurde von diesen zärtlich liebenden Menschen tief empfunden, und aus Mitleid mit einem so erbarmungswürdigen Gott starben manchmal jene Armen, die freiwillig zu ihrem eigenen Leid noch auf sich nahmen, was sie von seiner Last tragen konnten.

Um besser mit ihm leiden zu können, drängten sie sich an die tiefbetrübte Jungfrau, die auf ihren Knien wie auf einem neuen Kreuz21) ihren großen toten Sohn hält und mit kostbaren Zangen die harten Dornen aus seinem Haupte zieht, die man hineingeschlagen hatte.

„— Du bist voll Schmerz und voll der Tränen, du Unsere Frau, Jungfrau Maria, sagten sie; wem bist du gleich oder wem vergleichbar? Deine Trübsal ist wie das Meer. Laß mich mit Dir weinen, laß midi den Tod Christi tragen, mach mich zum Mitdulder seines Leidens und zum Spiegel seiner Wunden.“22)

Sie allein konnte ihnen das grenzenlose Leid des allerärmsten Gottmenschen erzählen, den sie demütig in einem Stalle geboren hatte, und der sich niemals von der Last des Kummers und dem Feste der Trübsal erholt hatte.

~19~

Und der abgrundtiefe, trostlose Blick des Morgensternes, der alle im Meere des Leidens ertränkte, die mit Maria litten, war für sie eine Antwort herzzerreißender Süßigkeit.

„Die bösen Juden”, so glaubten sie zu hören, „haben mein göttliches Kind beschuldigt, ein Fresser und Säufer zu sein23), und es ist wohl wahr, gewiß, noch am Kreuze seufzte er, man solle ihm zu trinken geben.”

In diesem Augenblick muß er meine Tränen gesehen haben!

Diese Tränen, die eng verwandt sind mit seiner heiligen Menschheit, und die damals gegen ihn mit der Allmacht der Fürbitte für eine mit Narrheit geschlagene Welt ausgestattet waren, erhoben sich wie zahllose Wogen um sein einsames Kreuz …

Ehe alles vollbracht war, nachdem schon alle Prophezeiungen ihre schreckliche Erfüllung gefunden hatten — als das Weib nach viermal tausend Jahren der Demütigung endlich vor dem Baum des Lebens stand, die Füße auf dem Kopf der Schlange und das Haupt in den zwölf Sternen —, da erschien die ganze elende Nachkommenschaft des ersten Ungehorsamen, durch mein Mitleid verherrlicht, im Glänze meiner Tränen.

Den Kelch der unendlichen Bitterkeit, den von ihm zu nehmen Jesus seinen Vater am ölberg bat, und der seine heilige Seele bis zum Blutschweiß und zur Todesangst erschreckte, jetzt mußte er ihn trinken aus der makellosen Hand derjenigen, die er von Anbeginn dazu erwählt hatte, den grausamsten Teil seiner Folterung mit zu vollziehen.

Da er über seinen Durst geklagt hatte, mußte er ihn bis zum legten Tropfen leeren und durfte erst dann sterben, als alle Tränen der Geschlechter aus dem wahrhaften Kelch seiner Todesqual, aus meinem Herzen, getrunken waren.

Der Engel, der ihn am Vorabend gestärkt hatte, war zum Himmel zurückgeflohen, sein Vater hatte ihn verlassen, das harte Wort: „Wehe dem, der allein ist”, war an ihm ganz und beispiellos in Erfüllung gegangen.

Sogar seine Mutter war ihm eine Fremde geworden, seitdem er sie seinem Jünger übergeben hatte, ehe er zu trinken begehrte.

Jetzt war er allein mit Judith, Aug’ in Aug’ mit ihr, wie ein Holofernes angenagelt an das Bett seines Verderbens.24)

Schon verfinsterte sich die Sonne, um dem Grauen dieser stummen Gegenüberstellung zu entgehen, und die Toten begannen, sich in ihren Gräbern zu rühren.

„Trinke, mein Sohn” — sagten die trostlosen Stimmen meines Herzens —, „trinke diese Tränen der Traurigkeit und diese Tränen des Zornes. Die Galle hat nicht genug Bitterkeit und der Essig nicht genug Schärfe, um einen Durst wie den deinen zu löschen.

Trinke diese Tränen der Witwen, Waisen und Verbannten.

Trinke diese Tränen der Ehebrecher, Vatermörder und Verzweifelten.

Trinke den Ozean der Tränen des Geizes, der fleischlichen Begierde und des Hochmutes.

Trinke diese Tränen des Geldes, die von nun an das einzige Erbe in Israel sein werden, und die eines Tages der lästerliche Hohn der falschen Christen über den Katafalk der Eitelkeit der Toten vergießen wird.

All dies hat das Volk Gottes als Erfrischung für deinen zweiten Todeskampf aufgehoben, und ich biete es dir an, weil du mich grausam dazu bestimmt hast, dich vor deinem legten Atemzug damit zu tränken.

Du hast gesagt: ,Selig sind die Weinenden’, und weil ich die Tränen aller Geschlechter weine, werden mich alle Geschlechter die Glückselige nennen.

Ich habe nur sechsmal im Evangelium gesprochen, das war mein siebentes Wort, unverstanden vom Evangelisten zu meiner Rechten und von Magdalena zu meiner Linken, worauf jenes gewaltige ,Consummatum est’ die Antwort war.”

Jesus neigte sein erschreckendes Haupt, damit der Tod sich nahen könnte…

Und der Vorhang des Tempels wurde zerrissen von oben bis unten, wie das Kleid des Kaiphas oder der Leib des Verräters, — um auszudrücken, daß die grausamen Juden nur noch verödete Zelte haben würden.

~20~

Die Trostlosigkeiten und Schrecknisse des Evangeliums waren den guten Menschen damals so nahe, daß ihre Abneigung gegen die Juden ihrem zarten Mitempfinden etwas Prophetisches verlieh.

Ach! Nicht nur hatten die Juden Jesus gekreuzigt, nicht nur kreuzigten sie ihn gegenwärtig vor ihren Augen, sondern sie beharrten auch auf ihrer Weigerung, ihn von seinem Kreuze herabsteigen zu lassen, indem sie nicht an ihn glaubten.

Denn alle Worte der Schrift sind lebendig.

Für diese tiefen und liebevollen Seelen gab es nichts Rhetorisches oder bloß Literarisches, wenn es um das Wort Gottes ging.

Die Bücherschreiber, die alles verschleudert haben, weilten noch im Reiche der Ungeborenen, und groß wäre das Entsetzen gewesen, wenn einer die Meinung geäußert hätte, der Heilige Geist habe mitunter eine Anekdote erzählt oder einen nebensächlichen Umstand berichtet, der ohne Nachteil ausgelassen werden könne.

Es gab für sie in der Heiligen Schrift keine Silbe, die sich nicht gleichzeitig auf die Vergangenheit und auf die Zukunft bezog, auf den Schöpfer und auf die Schöpfung, auf den Abgrund des Himmels und auf den der Hölle, — alle Welten in einen einzigen Blitzstrahl einhüllend wie der kreisende Geist des Predigers, der „vorübergeht, das Weltall schauend in circuitu, und dann in seine eigenen Kreise zurückkehrt”.

So war übrigens zu jeder Zeit das unfehlbare Denken der Kirche, die jeden wie ein verfaultes Glied von sich

abschneidet, der es wagt, diese heilige Arche, voll der Gewalten des Donners, anzutasten: die Offenbarung der Heiligen Schrift, ewig aktuell im historischen und absolut allgemein im symbolischen Sinn.

Anders ausgedrückt, das göttliche Wort ist unendlich, absolut, unwiderruflich in jeder Hinsicht, vor allem aber sagt es immer dasselbe, denn Gott kann nur von sich selber sprechen.

Die mittelalterlichen Menschen waren also in ihrer Einfalt durchaus „rational” davon überzeugt, daß die von den beiden ersten Evangelisten bezeugte jüdische Verspottung nichts Geringeres als eine prophetische Sicht auf die heilige, von Gott selbst erzählte Geschichte Gottes ist, und ihr Instinkt sagte ihnen, daß das „irdische Reich” des Gekreuzigten und das glorreiche Ende seiner dauernden Todesqual in einer mit Worten nicht zu sagenden Weise von dem guten Willen dieser Ungläubigen abhängig war.

~21~

Also gerade ihr Wille war ein satanischer. Diese Verfluchten wußten um ihre Macht, und es war ihre abscheuliche Freude, dieses von den Gefangenen erwartete Reich der Glorie durch Verewigung des Opfers auf unbestimmte Zeit zu vertagen.

Das Heil der Völker war durch ihre Bosheit im übertragenen wie im eigentlichen Sinne teuflisch suspendiert, und der Apostel, der ein Pharisäer gewesen war und die Dinge wohl besser verstand als irgend einer, mußte bekennen, daß man nur „in der Hoffnung” gerettet sei, nur in der Hoffnung, und daß man die Erlösung immer noch erwarten müsse, „unaussprechliche Seufzer” aushauchend mit dem duldenden Geiste des Herrn.25)

Die Weigerung dieser Schurken ließ schon, nach Minuten und Sekunden fast, die schnellsten Geschehnisse der Passion und ihre Höhepunkte grausig erstarren.

Immer küßte der widerliche Judas seinen Meister im Garten, und der beklagenswerte Sohn der Columba, Simon Petrus, hörte nicht mehr auf, ihn zu verleugnen, „während er sich im Vorhof wärmte”.

Erbarmungslos und ohne Unterlaß regneten Anspeiungen, Ohrfeigen und Schläge, während gleichzeitig die ausgestoßenen Beleidigungen und das geisterhafte Klatschen der 5000 Schläge mit den bleigefüllten, von der Uberlieferung erwähnten Geißeln schrecklicher denn je widerhallten wie das Sausen der Orkane, verstärkt und vervielfältigt durch alle Echos des irdischen Schmerzes. Der grämliche Pilatus wusch sich in der hohen Säulenhalle eines riesigen Palastes, aus dem man die Finsternis starren sah, seit tausend Jahren die Hände und dachte wohl, sie noch einmal tausend Jahre zu waschen, um festzustellen, ob ihm nicht ein Meer geben könne, was er umsonst von allen Flüssen erhofft hatte.

Und vor diesem schwachen Richter drückte die unverzeihliche Krone, der „bezeugte Feuerbusch”, der den Sohn der Jungfrau zierte, ihre scharfen Spitzen immerwährend in das göttliche Haupt des Gemarterten, den die Geißelung wie ein Holzscheit in Brand steckte.

Das wilde Geschrei der Mörder Gottes war stärker als das anhaltende Donnern eines Kataraktes, und das klägliche Blöken der österlichen Opferlämmer, das beständig vom Teiche Bethesda herüberdrang, machte es noch unheimlicher.

Und dieses Kreuz des Wahnsinns, die Annagelung und Abnahme Christi, seine unsägliche Schwäche und die sieben Worte, die er sprach, das Stehen der Mutter unter dem Kreuz und dieser Tod unter den Toten, der drei Stunden lang die Sonne erschreckte, alle die Einzelheiten dieses tollen Gelages der Qualen, deren Vorahnung allein schon die Mystiker verzehrte, waren unbarmherzig klar und eindeutig, für immer festgelegt in Raum und Zeit und festgebannt durch einen unzerbrechlichen Willen.

„Descendat NUNC de cruce… Jetzt steige er herab von seinem Kreuz, und wir werden an ihn glauben. Zerstörer des Tempels Gottes, rette dich selbst.” Diesem Ultimatum konnte niemand entrinnen. Nichts hörte auf, weil nichts aufhören konnte; was zu Ende ging, begann alsbald wieder von neuem.

Man blutete mit Jesus, man war durchbohrt von seinen Wunden, man litt die Todesqual seines Durstes, man wurde zur gleichen Stunde wie seine heilige Majestät geohrfeigt von dem gesamten Lumpenpack Jerusalems, und selbst die Kinder, die noch nicht geboren waren, zitterten vor Schrecken im Schöße der Mütter, wenn man den Hammer des Karfreitags hörte.

Die schluchzenden Bauern zündeten dann armselige Fackeln in den Furchen der Erde an, damit diese Ernährerin der Unglücklichen nicht unfruchtbar würde durch die Überschwemmung mit Finsternis, die sich im Augenblick des legten Seufzers wie ein endloser schwarzer Helmbusch von der Höhe des Kalvarienberges ergoß.

Ober diesem Tag stand der große Bann des Mitleidens und Zitterns. Die Zugvögel und die wilden Tiere der Wälder wunderten sich, die Menschen so traurig zu sehen, und die sanften Schafe schwitzten in den Ställen vor Angst, als sie ihre Hirten weinen hörten.

Beim Anblick eines Gottes, der von seiner Höhe so tief herabgestiegen war, machten sich die Christen bittere Vorwürfe, daß sie ihn nach ihrem Bilde geschaffen hatten, und sie fürchteten sich, die Augen zum Himmel zu erheben.

Von der Frühmette des Gründonnerstags bis zum gewaltigen Alleluja der Auferstehung war die Welt bleich und stumm, ihr waren die Adern gestockt, die Kräfte gelähmt, „das Haupt müde und das Herz traurig”. Absolute Herrschaft der Buße. Nur ein düsteres Tor, umgeben von bleichen, anklagenden, unheimlichen Gestalten, war halb geöffnet und führte noch zu Gott. Der Glanz der Kirchenfenster war erloschen. Die schönen Glocken läuteten nicht mehr. Man hatte kaum den Mut,

geboren zu werden, und wagte fast nicht mehr zu sterben.

Vergebens suchte man die Jungfrau mit den Sieben Schwertern zu trösten, deren Augen von Tränen verbrannt waren und zwei erloschenen Sonnen glichen. Dieses mütterliche Antlitz, vor dem jedes Trostwort verstummen mußte, war ein Vulkan des Schreckens geworden und warf die Massen zu Boden.

„Er steige doch herab!” heulten immer die Schakale der Synagoge. — Warum denn, oh Israel? Willst du diesen neuen Joseph zerreißen, den du in deinem Alter gezeugt hast, dem du einen so schönen, bunten Rock gemacht hast26), und den du hier in den gekreuzigten Armen dieser unbeweglichen Rahel siehst, die niemand trösten kann?

~22~

„Lasset uns beten für die treulosen Juden, damit der Herr, unser Gott, den Schleier von ihren Herzen nehme, auf daß auch sie Unsern Herrn Jesus Christus erkennen. Allmächtiger, ewiger Gott, der du sogar die treulosen Juden von deiner Erbarmung nicht ausschließest, erhöre unser Gebet, das wir dir darbringen ob der Verblendung jenes Volkes, auf daß es das Licht deiner Wahrheit, welches Christus ist, erkenne und seiner Finsternis entrissen werde.”

So waren und werden sie bis zum Ende der Zeiten sein, die Gebete der Kirche für die unbegreifliche Nachkommenschaft Abrahams, hochfeierliche Gebete, die nur einmal im Jahr, am Karfreitag, in aller Öffentlichkeit gesprochen werden.

Wahrlich, einstmals hörten in diesem Augenblick die Herzen zu schlagen auf, und überwältigend war das Schweigen des Zornes, wenn jeder hoffte, aus der Tiefe den ersten Seufzer zu vernehmen, der die Bekehrung des verstockten Volkes einleiten würde.

Man ahnte dunkel, daß diese Menschen des Schmuses und der Schmach dennoch die Verwalter der Erlösung waren, daß Jesus ihr Gefangener, und daß die Kirche ihre Gefangene war, daß ihre Einwilligung notwendig sei für das Kommen der ewigen Freude und Seligkeit, und daß deshalb durch ein dauerndes Wunder ihr Geschlecht vor dem Untergang geschürt wurde.

Sie erfüllten das unergründlichste Gesetz, und deshalb waren sie so stark in ihrem bösen Willen, die Kraft Gottes zu lähmen und unversöhnlich seine Herrlidikeit zu vertagen, damit die eine wie die andere den Verzweiflungen der Menschheit gleichsam untätig gegenüberstünde — bis zur wunderbar verborgenen Stunde, da das schmerzhafte Sühneopfer des fleischgewordenen Wortes in allen seinen Gliedern erfüllt sein würde.

Aber diese Stunde, die kommt wie der Dieb in der Nacht, kennt Jesus selber nicht, denn er hat gesagt, daß „niemand sie kennt als allein der Vater”.. 27)

Doch das Geheimnis wurde ganz unerträglich bei dem Gedanken, daß dieser eine Augenblick, seit Anbeginn der Zeiten sehnsüchtig von allen Geschöpfen herbeigewünscht, jetzt und immer von denselben Juden abhängig ist, diesen unerbittlichen Gläubigern des Heiligen Geistes, die gegen das Blut Christi Einspruch erhoben haben.

Die Jahrhunderte waren wie Wasser dahingeflossen, und die lebenden Geschlechter hatten sich auf die toten gehäuft. Man konnte Zinsscheine und Pfandbriefe schreiben, so viel man wollte, gezeichnet mit dem kostbaren Blute Christi und gegengezeichnet mit dem Blute aller Märtyrer; immer traf man nur auf das häßliche Gesicht derer, die mit dem Tröster wucherten, und die Herrlichkeit Gottes blieb verschlossen.

So ist es denn zu verstehen, wenn die Juden, so hart bedrückt von den Anbetern des Kreuzes, aus Rache so viele christliche Tränen fließen ließen, so schreckliche Tränen, daß man hätte glauben können, das Rote Meer sei zu ihrer Verfolgung aufgebrochen, und deshalb hatte die Kirche den Mut, für sie zu beten.

~23~

Die Juden werden sich nur bekehren, wenn Jesus vom Kreuze herabgestiegen ist, und Jesus kann nur vom Kreuze herabsteigen, wenn sich die Juden bekehrt haben.

In diesem unauflösbaren Dilemma wand sich das Mittelalter wie in den Backen eines Schraubstocks. Wenn es aufhörte, diese abscheulichen Widersacher zu verfluchen und hinzuschlachten, so nur, um sich ihnen zu Füßen zu werfen und sie unter Schluchzen anzuflehen, Mitleid zu haben mit dem leidenden Gott.

Keine Dichtung kann verglichen werden mit diesem inständigen Kniefall aller Völker vor einer Herde schmutziger Bestien, ein Kniefall, der sie im Namen der ewigen, mit dem Tode ringenden Weisheit anfleht:

„Quid feci tibi, aut in quo contristavi te?

Mein Volk! was habe ich dir getan, und womit habe ich dich betrübt? Antworte mir.

Weil ich dich fortgeführt habe aus Ägypten, hast du deinem Erlöser ein Kreuz bereitet…

Weil ich dich vierzig Jahre lang in der Wüste geführt habe, weil ich dich mit Manna gespeist und dich geleitet habe in ein gutes Land, hast du deinem Erlöser ein Kreuz bereitet…

Was sollte ich denn noch für dich tun, nachdem ich schon so viel für dich getan habe? Ich habe dich gepflanzt als meinen edlen Weinberg, doch du bist bitter geworden für mich; denn du hast meinen Durst gelöscht mit Essig und die Seite deines Erlösers mit einer Lanze durchbohrt…

Für dich habe ich Ägypten geschlagen mit seiner Erstgeburt, und du hast mich der Geißelung überliefert…

Ich bin vor dir hergezogen in einer Wolkensäule, und du hast mich vor den Richterstuhl des Pilatus geführt…

Ich habe dich in der Wüste genährt mit Manna, und du hast mir Backenstreiche gegeben und Rutenschläge …

Um deinetwillen habe ich die Könige der Kananäer geschlagen, und du hast mir das Haupt mit einem Rohr geschlagen…

Ich habe dir das Königszepter gegeben, und du hast mir eine Dornenkrone aufs Haupt gesetzt…

Was habe ich dir denn getan, mein Volk? Ich habe dich erhöht in großer Kraft, und du hast mich am Kreuzespfahle aufgehängt..28)

Vergebliche Bitte und immer die gleiche höhnische Weigerung. „Er hat sein Vertrauen auf Gott gesetzt. Der rette ihn nun, wenn er zu ihm hält; denn dieser Erlöser der anderen hat gesagt, er sei sein Sohn!” Und wenn der Himmel über ihnen zusammenstürzte, es wäre ihnen keine andere Antwort zu entreißen.

~24~

Das verfluchte Volk war also immer für die Christen ein Gegenstand des Abscheus und die Ursache einer geheimnisvollen Furcht.

Gewiß, man gehörte zur unterwürfigen Herde der milden und mächtigen, unfehlbaren und unvergänglichen Kirche, in deren Schoß man sicher war, nicht verloren zu gehen; aber man wußte auch, daß der Herr nicht alles gesagt hatte, und daß seine Offenbarung in Gleichnissen und Bildern nur bis zu einer geringen Tiefe erfaßbar war …

Hier spürte man etwas, das nicht erklärt war, das nicht einmal die Kirche ganz erkannte, und das unendlich furchtbar sein konnte.

Warum sonst diese Wutausbrüche und diese inständigen Bitten?

Wenn man die Kraft oder die Kühnheit besäße, sich bis an den Rand des Abgrundes zu wagen, sich über diesen erschreckenden Schacht unenthüllter Geheimnisse zu beugen, so müßte allein schon das Schwindelgefühl den Tod bringen, das einem beim Gedanken überfällt, daß Israel, so „stark gegen Gott” und so viele Lehren Christi verachtend, trotzdem vielleicht das einzige Volk war, das in Wahrheit den Anspruch, ja das bestürzende Vorrecht hatte — vom fünften Jahrtausendtag der ersten Katastrophe an —, die fünfte Bitte des „Pater noster” zu sprechen: „Vergib uns unsere Schulden, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern”!

Was für Schulden? Was für Schuldiger?

Da die Söhne Jakobs den Armen zum Gläubiger

haben — den Armen, der Gottes Sohn ist —, müssen sie da nicht ihrerseits in einem noch geheimnisvolleren Sinne die Gläubiger dieses verschwenderischen Heiligen Geistes sein, dessen Bücher Jesus durch seinen Tod hatte zu Protest gehen lassen? …

Und wäre dann dieser Tod, der ihr Werk war, folglich nicht eine abgründige Schurkerei und eine teuflische Bosheit, welche die prägnante Sprache der Liturgie mit dem ganz besonderen Namen „jüdische Treulosigkeit” bezeichnet hat?

Ging es in Wirklichkeit nicht darum — um bei der niederen Sprache zu bleiben, die so angemessen ist, wenn man von dem Gott der erniedrigten Menschheit spricht —, dem Tröster Kosten aufzuhalsen, um ihn zu zwingen, mit höchstem Wucherzins, und wäre es in zwanzig Jahrhunderten, zu zahlen, was nur auf Kosten des schmerzhaften Christus geht, der immer noch blutet und stirbt am Holze der Schmach, bis sich die grausamen Eintreiber für abgefunden erklären?

Denn das Heil ist kein Scherz polnischer Küster, und wenn gesagt wird, daß es das Blut eines Gottes gekostet hat, der als Jude Mensch geworden ist, so will das besagen, daß es a 11 e s gekostet hat in Zeit und Ewigkeit.

Man denke an jenen Vater, der auch immer wartet, und der schmerzlicher wartet als irgend jemand, da er allein das Ende weiß.

Die Geschichte vom verlorenen Sohn ist ein so leuchtendes Gleichnis seiner ewigen, seligen Erwartung in der Höhe des Himmels, daß sie deshalb banal geworden ist und von keinem Menschen mehr verstanden wird.

Sagt also einmal den modernen Katholiken, daß der Vater, der nach dem Berichte des heiligen Lukas sein

Vermögen unter seine beiden Söhne verteilt, Jehova selbst ist, wenn man ihn bei seinem schrecklichen Namen nennen darf; sagt ihnen, daß der ältere, weise gebliebene Sohn, der „immer bei ihm ist”, unbezweifelbar sein Wort, den geduldigen und treuen Jesus, symbolisiert; sagt ihnen, daß der jüngere Sohn, der in ein „fernes Land gezogen ist, wo er all sein Vermögen mit Huren verpraßte”, bis er so weit heruntergekommen war, daß er die Schweine hüten mußte und „wünschte, er könnte seinen Bauch mit den Trebern füllen, welche die Schweine fraßen”, sicherlich die Schöpferliebe bedeutet, deren Hauch unstet ist, und deren göttliche Funktion seit sechstausend Jahren in Wahrheit die zu sein scheint, die christlichen Schweine zu ernähren, nachdem sie die Säue der Synagoge geweidet hat.

Ihr könnt fortfahren, wenn ihr wollt, daß das fette Kalb, „das man schlachtet, das man ißt, und bei dem man fröhlich ist”, um die Rückkehr des Wüstlings zu feiern, noch derselbe Jesus Christus ist, dessen Opferung bei den „Mietlingen” immer unzertrennlich ist von Erlösung und Verzeihung.

Versucht einmal, diese grandiosen Gleichnisse, die höchstens einigen Aussätzigen bekannt sind, eindringen zu lassen in die salbungsvollen und schmalzigen Seelen unserer Betbrüder, die von Jugend auf daran gewöhnt sind, im Evangelium nur ein Traktat der Moral zu sehen, — und ihr werdet ein schönes Gezeter zu hören bekommen!

~25~

Ich habe gewiß keinen Grund, anzunehmen, daß die Christen des Mittelalters im allgemeinen so transzendente Erkenntnisse über Gott und sein Wort hatten. Aber da sie weder das siebzehnte Jahrhundert noch die Gesellschaft Jesu erlebt haben, waren sie einfältig, und wenn sie nicht mit liebender Seele glaubten, so glaubten sie doch mit zitterndem Herzen, wie von den Dämonen geschrieben steht29); und das genügte, um sie wenigstens einiges ahnen zu lassen, genügte, daß ihre Furcht und ihre Hoffnungen weit hinausgingen über den beschränkten Horizont des schläfrigen Herdenviehs der modernen Frömmigkeit.

„Es ist nicht zum Lachen, daß ich dich geliebt habe”, hörte einmal die große Seherin von Foligno. Dieses kindliche Wort erzählt die Geschichte von vielen Millionen Herzen.

Die Religion war damals nicht lächerlich, und das überall sichtbare göttliche Leben war für jene einfachen Menschen die ernsteste und entscheidendste Angelegenheit auf der Welt.

Das Evangelium erzählt von einem Simon von Cyrene, den die Juden zwangen, Jesus, der unter der Last zusammenbrach, das Kreuz tragen zu helfen. Die Uberlieferung berichtet uns, daß er ein armer und mitleidiger Mann war, der kurz darauf Christ werden wollte, um mit Recht über sich selbst weinen zu können in der Erinnerung an das Opferlamm, dessen Schmach zu teilen er die Ehre gehabt hatte.

Meint ihr nicht mit mir, daß ein solcher Helfer des todmüden Erlösers ein offensichtliches Vorbild des Mittelalters ist, das voll war von Galgen und Basiliken30), voll von Finsternissen und blutigen Schwertern, voll von Schluchzern und Gebeten, das tausend Jahre lang alles auf seine Schultern nahm, was es von dem gewaltigen Kreuz tragen konnte, — das so durch dunkle Täler und über schmerzvolle Hügel wanderte, das seine Söhne für die gleiche Angst aufzog und sich selbst erst dann ins Grab legte, wenn die Söhne groß genug waren, um ihre Eltern im Mitleiden abzulösen?

Oh wunderbare, nimmer müde Ergebung!

Kein Brot zuweilen, niemals Ruh,

Weib, Kinder, Soldaten, Steuern dazu,

Die Gläubiger, der Frone Zoll.

Sie machen das Bild des Jammers voll.

Er ruft den Tod. Der eilt herbei

Und fragt, was sein Begehren sei.

„Ach”, spricht er, „es ist nur der Holzlast wegen;

Du hilfst wohl, sie wieder mir aufzulegen.”

La Fontaine hat sich getäuscht. Das war kein Reisigbündel, das der Tod den Holzhauern auf die Schultern laden sollte.

Das war das Holz, an dem das Heil der Welt gehangen, „die einzige Hoffnung” des Menschengeschlechtcs, das zu tragen sie von den Juden erbarmungslos gezwungen wurden.

Sie sagten niemals nein, obwohl sie todmüde waren, eingehüllt in ewigen Nebel des Elends, und wenn sie manchmal gegen die treulosen Juden ausschlugen, so geschah es, wie ich schon sagte, weil diese den Leiden Christi kein Ende machen wollten, — ein Gefühl unsagbarer Zärtlichkeit, das niemand mehr verstehen wird.

~26~

Es ist wahr, seit neunzehn Jahrhunderten sind auch die Beschnittenen dazu verurteilt, das Kreuz zu tragen, aber auf eine ganz andere und eigene Weise.

Ich habe oben gesagt, daß die Juden des Mittelalters, von allen Meuten der christlichen Empörung und des christlichen Edelmutes gehest, als legten Trumpf den Christen das schreckenerregende Zeichen entgegenhalten konnten, das sie an den Gebeinen des ersten Kain entdeckt hatten, und auf Grund dessen niemand sie mit dem Schwerte des Zornes oder der Milde ausrotten konnte, ohne siebenfach gestraft zu werden, das heißt ohne sofort der endlosen Vergeltung des allmächtigen Siebenfältigen, den die Christen den Heiligen Geist nennen, anheim zu fallen.

Das Zeichen, mit dem der Patriarch der Mörder gebrannt wurde, und das Moses nicht offenbaren durfte, konnte sehr wohl dasselbe Zeichen des Kreuzes sein, wenn man als sichere Richtschnur die ewige Wiederholung Gottes in den Heiligen Schriften annimmt.

Die wunderbare Geschichte von Kain, in der die moralisierenden Exegeten absolut nichts anderes gesehen haben, als daß es böse ist, seinen Bruder zu erschlagen, gibt in wenigen Versen von erschreckender Bündigkeit den ganzen Weg, den der göttliche Wille zurückgelegt hat, und der in den zweiundsiebzig übernatürlichen Büchern, die zusammengenommen die Offenbarung sind, ausführlich beschrieben ist.

Es gibt keine bessere Zusammenfassung der Heiligen Schrift. Ja, in den beiden Namen Abel und Kain

selbst liegt eine Art symbolisches Monogramm des Erlösers verborgen:

Agnus Bajulans Ego Lignum,

Crucis Amanter Infamiam Nobilitavi.

Man könnte dieses Spiel mit den Anfangsbuchstaben, an dem die alten Theologen ihre Freude hatten, endlos fortseien.

Aber hier geht es um einen Zentralpunkt, um die Achse der kommenden Gleichnisse, um die Nabe der Räder Ezechiels, und will man ernsthaft von diesen beiden ersten Söhnen Adams sprechen, die im Morgenrot der menschlichen Gegensätze stehen, so wollen alle wesentlichen Ideen schreiend aufeinanderstürzen…

Es mag die Feststellung genügen, daß der Herr, der nur von sich selber sprechen kann, notwendig zugleich in dem einen und in dem andern dargestellt wird, in dem Mörder und in dem Opfer, in dem, der ohne Hüter ist, und in dem, der niemandes Hüter ist.

Der unschuldige Abel, „Hirte der Schafe”, von seinem Bruder getötet, ist das deutliche Vorbild Jesu Christi; und der Brudermörder Kain, von Gott verflucht, unstet und flüchtig auf der Erde, ist ein anderes, nicht weniger deutliches Bild, — da der Erlöser der Welt, der alles auf sich genommen hat, zugleich die Unschuld und die Sünde ist nach dem Worte des heiligen Paulus.31)

Die eben erwähnte Geschichte vom verlorenen Sohn ist im Grunde nur eine der unzähligen Abwandlungen dieses ersten Dramas der Menschheit.

Wohl wahr, der Gefährte der Schweine hat seinen Bruder nicht getötet, aber dieser wird trotzdem geopfert unter dem Bilde des fetten Kalbes, und der willkommen geheißene Schweinehirt empfängt aus der Hand des Vaters und Herrn geheimnisvolle Zeichen einer unbegreiflichen Fürsorge.

Im weiten, dämmerigen Dunkel dieser symbolischen biblischen Erzählungen ist es immer die gleiche Geschichte und die unendlich verwickelte Darstellung des gleichen Geheimnisses.

Wenn man nach solchen ungewöhnlichen Betrachtungen behauptet, die Juden seien ebenso mit dem Zeichen des Kreuzes gezeichnet wie die Christen, und wie vielleicht der Brudermörder, so sagt man damit nur etwas Überflüssiges, das ärgerlich ist, allerdings, wie jedes überflüssige Wort.

Sieht man denn tatsächlich nicht, daß sie durch ein Verbrechen, das wie kein anderes dem Mord des alten Kain gleichkommt, das Christentum bestimmten, welches ohne sie ebenso unmöglich wäre wie der Schrei des Blutes Abels ohne den ersten Mörder? — und daß, wie die Christen das Kreuz offen tragen auf ihrer Brust oder auf ihren Tabernakeln, sie es verborgen tragen in ihrem verwüsteten Herzen oder in den Räuberhöhlen ihrer Synagogen.

Was immer sie sagen und tun, sie können nur der Stein sein, in den das Siegel der Erlösung eingeschnitten ist.

Und deshalb ist auch ihr widerlicher Anblick noch überzeugender als der der besten Christen, die so leicht durch ihr eigenes Verschulden das Heilsbild entstellen können.

Sie haben versucht, diesen klaffenden Siegelschnitt, den die Ausdehnung des Katholizismus in der Welt wie

den Abgrund des Chaos verbreitert hat, mit Geld zu füllen; aber es gelang ihnen nur, dieser schrecklichen Krebs wunde das Aussehen eines blassen Sternes zu geben, indem sie sich völlig zu Spiegeln der Begierde und des Todes machten.

~27~

Soll ich es jetzt, auf die Gefahr hin, als jämmerlicher sophistischer Irrlehrer zu gelten, wagen, furchtsam wie die Taube und klug wie die Schlange, von dem anbetungswürdigen Geheimnis des Widerstreites zwischen Jesus und dem Heiligen Geist zu sprechen?

Ich habe von Kain und Abel gesprochen, vom verlorenen Sohn und seinem Bruder; ich hätte auch sprechen können vom bösen Räuber und vom guten Dieb, die uns an jene in so seltsamer Weise erinnern.

Ebenso gut hätte ich die Geschichte von Isaak und Ismael, die von Jakob und Esau, von Moses und Pharao, von Saul und David und fünfzig andere, weniger bekannte, anführen können, in denen der mystische Wettstreit zwischen dem Älteren und dem Jüngeren, der endgültig und sakramental auf Golgatha aller Öffentlichkeit gezeigt wurde, im Laufe der Zeit immer wieder von den Propheten aufgezeichnet war.

Die verfluchten oder verfolgungssüchtigen Brüder verkörpern immer das Volk Gottes im Widerstreit mit dem Worte Gottes. Das ist eine gleichbleibende Regel ohne Ausnahme, welche auch die Ewigkeit nicht ändern wird.

Nun ist das Volk Gottes das beklagenswerte Volk der Juden, die in besonderer Weise dem Odem Gottes anheimgefallen sind, der sie so oft wie Harfen aus hundertzährigem Holz erklingen ließ.

Israel ist also kraft eines Privilegs mit der Repräsentation und mit irgend einem geheimen Schutz dieses schweifenden Trösters betraut worden, dessen Gehäuse und Versteck Israel war.

Wem die Gabe der Kontemplation nicht ganz fehlt, dem scheint es unmöglich, Israel und den Heiligen Geist zu trennen, und je tiefer man sich hineinversenkt, um so inniger scheinen sie aneinander geschweißt. Das führt schließlich dazu, daß sie in der Perspektive des Abgrundes fast identisch werden.

Aber wir wollen noch auf etwas Besonderes aufmerksam machen. Das Kreuz stellt auch den Heiligen Geist dar. Es ist der Heilige Geist selber!

„Eines Tages wird die Erde in tödlichem Schrecken erkennen, daß dieses Zeichen meine Liebe war, das heißt der Heilige Geist, verborgen unter einer unvorstellbaren Verkleidung!32)

Das Kreuz ist wesenhaft ein Siebenfältiges Zeichen.

Infolgedessen geben die Juden — in so wunderbarer Einheit mit dem Heiligen Geiste, dessen jüdische Stimme man immerfort aus unseren Liturgien heraushört, weil dieser Geist über sie wie ein Orkan hingebraust ist — gerade das Kreuz dem Worte Gottes, damit die erdrückende Liebe auf ihm liege in ihrer vollkommensten und härtesten Symbolgestalt.

An dieses Kreuz, über das die „sieben Schöpfungstage” bekümmert sind, nageln sie eben dieses Wort Gottes, den armen Jesus, wie die rohen Bauern den Vogel der Weisheit an ihre Haustür nageln.

Sie nageln ihn fest, damit er ohne ihre Erlaubnis nicht herabsteigen könne.

Sieben Hammerschläge für die rechte Hand, sieben für die linke Hand und nochmals sieben für den schrecklichen Doppel-Nagel, welcher die beiden Füße des guten Hirten durchbohrt; damit die bedeutungsvolle Zahl Einundzwanzig erreicht würde, die Lebensjahre dieses höhnischen Sedezias mit dem herrlichen Namen33), der „nicht errötete vor dem Angesicht des Jeremias”, als er auf den besudelten Thron Jerusalems stieg, dessen trauriges Volk in die Gefangenschaft abgeführt wurde.

Das ist nicht alles, das Kreuz ist eine Schmach, und es überträgt seine Schmach auf das Wort Gottes.

Das Kreuz ist wahnsinnig, und das Wort Gottes wird nach dem Willen des feindseligen Volkes der Bräutigam seines Wahnsinns.

Das Kreuz ist schwach, es ist unbeweglich, kann nur peinigen, und das fleischgewordene, allmächtige Wort des „gewaltigen Gottes”, ruhend in seinen Armen, wird schwach mit ihm, kann sich nicht bewegen, wird der Peiniger seiner Jünger, die ihm „gleich” werden müssen in seiner Todesqual…

Wenn sie doch eines Tages von einander getrennt werden könnten! Aber die Juden allein haben die Macht, das Gesetz der Qualen aufzuheben, das sie, einer plötzlichen Eingebung der Hölle gehorchend, erließen, ohne zu wissen, was sie taten.

Die Verherrlichung dieses Wortes, das sie verkannt haben, und die Ankunft der Liebe, die ihre Propheten so oft voraussagten, können erst an dem Tage Wirklichkeit werden, an welchem Jesus nicht mehr am Kreuze hängen wird, und das wiederum hängt ausschließlich von dem unbekannten Willen ab, der ihre Bosheit erweckt hat.

Aber millionenmal mußten sie vorher grausam aneinander genagelt werden, damit so in der Zukunft das unmögliche Verlöbnis der beiden Testamente seine wunderbare Bestätigung fände.

Einige blitzartige Erleuchtungen sind alles, was wir erhoffen dürfen. Die Offenbarung ist wie ein fahler Gewitterhimmel, verhangen von Bergen düsterer Wolken, aus denen manchmal, um alsbald wieder zu verschwinden, ein Blitzstrahl hervorschießt.

Auch die Sonne hat sich von ihrer Erregung am Karfreitag noch nicht erholen können, und wir wissen, daß die „Jotas und Punkte” sich nichts abringen lassen, daß auch sie unerbittlich sind und um nichts verständlicher als die Gleichnisse oder feierlichen Reden dieser drei-und vierfach versiegelten Schrift, für die gar viele Christen so bequeme Erklärungen zusammenphantasiert haben.

~28~

Ich weiß zu gut, wie unsinnig, ungeheuerlich und lästerlich es erscheinen muß, einen Gegensatz im Schöße der Dreifaltigkeit anzunehmen; aber es ist nicht möglich, auf andere Weise das unsagbare Schicksal der Juden auch nur ahnungsweise zu ermessen, und wenn man liebend von Gott spricht, gleichen alle menschlichen Worte blindgewordenen Löwen, die in der Wüste eine Quelle suchen.

Es handelt sich tatsächlich um eine Rivalität, die von Menschen noch erfaßt werden kann!

Es läßt sich keine größere Vergewaltigung der menschlichen Vernunft denken als die Vorstellung, daß Gott leidet, und wenn man sich erinnert, was man glauben muß, will man nur ein armer Hund von einem Christen sein, dann ist es keine große Anstrengung mehr, obendrein anzunehmen, daß „eine Art von göttlicher Ohnmacht besteht, die zwischen der Barmherzigkeit und der Gerechtigkeit provisorisch vereinbart wurde, um auf geheimnisvolle Weise das Vermögen, das die Liebe vergeudet hat, wiederzuerlangen”.34)

Da uns von Jugend auf gelehrt wird, wir seien nach Gottes Ebenbild erschaffen, ist es denn da so schwer, einfältig zu glauben, daß es in dem undurchdringlichen Wesen Gottes etwas uns Entsprechendes geben muß ohne Sünde, und daß die betrübende Summe der menschlichen Verwirrungen nur ein dunkler Reflex der unfaßbaren Brände des göttlichen Lichtes ist?

Wenn es in der Welt eine notorische Tatsache gibt, die durch die eindeutigste Erfahrung erwiesen ist, so ist es die Unmöglichkeit, die Liebe wirksam mit der Weisheit zu vereinen und zu verbinden. Die beiden unverträglichen Pferde deines Totenwagens verschlingen sich gegenseitig von Anbeginn, oh ewig gleiche Menschheit! … Wer es fassen kann, der fasse es; aber da verbirgt sich das Geheimnis Gottes.

Und nun steigt aus der Tiefe meines Gedächtnisses eine erhabene Allegorie Ernest Hello’s auf über den Ruhm und die Gerechtigkeit, diese beiden ewigen Widersacher, von denen der eine an den andern appellieren kann.

Dieses erstaunliche Gleichnis, das vielleicht niemals aufgeschrieben wurde, und das Hello wahrscheinlich nicht zu veröffentlichen gewagt hätte, gebe ich gern an die Öffentlichkeit, ungefähr so, wie er es mir einige Jahre vor seinem Tode erzählt hat.

Der Richter kommt zu seiner Stunde, die niemand kennt. Bei seinem Nahen stehen die Toten auf, die Berge erzittern, die Meere trocknen aus, die Ströme weichen zurück, die Metalle werden flüssig, die Pflanzen und Tiere verschwinden; die Sterne eilen von den entlegensten Himmelsräumen herauf und steigen aufeinander, um der Trennung der Guten von den Bösen beizuwohnen. Menschliches Entsetzen übersteigt alles Maß.

„Ich war hungrig, und ihr habt mich nicht gespeist; ich war durstig, und ihr habt mich nicht getränkt; ich war fremd, und ihr habt mich nicht aufgenommen; ich war nackt, und ihr habt mich nicht bekleidet; ich war krank und gefangen, und ihr habt mich nicht besucht …” (Matthäus, Kap. 25, 31—46.)

Das ist das ganze Urteil — unfehlbar, ohne Berufung.

Da steht ein Mensch auf, ein grauenhaftes Wesen, schwarz von Lästerungen und Sünden.

Er ist der einzige, der keine Furcht gehabt hat.

Er und kein anderer wurde verflucht von den Flüchen des Himmels, verflucht von den Flüchen der Erde, verflucht von den Flüchen der Hölle. Seinetwegen stieg der Fluch hinunter in den Mittelpunkt der Erde, um dort den Zorn zu wecken, der schlafen mußte bis zum Tage des Jüngsten Gerichtes.

Er wurde verflucht vom Schrei des Armen, der schrecklicher war als das Brüllen der Vulkane. Und die Raben an den Sturzbächen bezeugten den rollenden Kieseln im Bett der Flüsse, daß er wahrhaft verflucht sei von allen Winden, die über die blühenden Wiesen wehten.

Er wurde verflucht vom weißen Schaum der stürmgepeitschten Wogen, von der Heiterkeit des blauen Himmels, von aller Lieblichkeit und aller Pracht, er wurde verflucht vom Rauch, der zur Stunde des Mahles aufsteigt aus den Hütten der Armen.

Und weil all dies noch nichts war, wurde er verflucht in seinem schändlichen Herzen, verflucht von dem, der in Not, ewig in Not ist, und dem er nie geholfen hatte.

Vielleicht heißt er Judas, aber die Seraphim, die die obersten der Engel sind, könnten seinen Namen nicht nennen.

Er sieht aus wie eine eherne Säule.

Nichts könnte ihn retten. Nicht die demütigen Bitten Mariens, nicht die gekreuzigten Arme aller Märtyrer, nicht die ausgebreiteten Flügel der Cherubim und Throne. Er ist verdammt, — und welch eine Verdammung!

Ich lege Berufung ein! sagt er.

Er legt Berufung ein!… Bei diesem unerhörten Worte erlöschen die Sterne, die Berge versinken im Meer, selbst das Angesicht des Richters verfinstert sich. Die Welten sind bestrahlt nurmehr von dem einen Feuerkreuz.

Vor wem legst du Berufung ein gegen mein Gericht? fragt Unser Herr Jesus Christus diesen Verworfenen.

Und jetzt, in der unendlichen Stille, stößt der Verfluchte diese Antwort hervor:

— Ich lege vor Deinem RUHM Berufung ein gegen Deine GERECHTIGKEIT!

~29~

Von allen Vorurteilen und überkommenen Meinungen, an die die Masse sieb gewöhnt hat, ist keine der christlichen Seele so tief eingehämmert worden wie der banale Gemeinplatz der die berühmte jüdische Habgier und den sich nirgends verleugnenden Händlergeist des unsteten Volkes mit einem strengen Richterspruch erklären will, wonach es mit jenen Eigenschaften gestraft sein soll, weil es seinen Gott verkauft hat.

So viel ist unbestreitbar, daß die Juden seit der Verschacherung Christi, als ihr Händlergeist offen zum Ausbruch kam, genau an dem Punkte auf ihren Unglauben festgenagelt sind, wo.sich ihre Berufung als Verwalter der Prophezeiungen schmählich erfüllte; — so wie alle Menschen nach der Lehre der Theologie hoffnungslos festgebunden sind an die genaue Beschaffenheit ihrer Sünde, wenn sie der Tod in Unbußfertigkeit überrascht.

Ich habe niemals etwas anderes gesagt und glaube sogar, zu den dunklen Stellen der Heiligen Schrift, die von dieser unwiderruflichen Strafe handeln, genügend Zugang geschaffen zu haben.

Aber der „Wurm” ihrer Verdammung hatte schon sehr lange in ihrem Innern genagt, als er ans Licht kam. Denn das Wesen der Dinge ändert sich nicht; der wildeste Bösewicht hat nicht die Macht, seine eigene Natur zu verwandeln, und es wäre den unbeugsamen Anordnungen Gottes zuwider, wenn die Juden wesentlich nicht immer das gewesen wären, was sie heute sind, zurück bis zum Anfang — bis in die Lenden Abrahams, der sie alle gezeugt hat. 86

Die Größe dieses Namens, gepriesen über alle Namen, und die Heiligkeit des Patriarchen können nichts daran ändern.

Geben nicht im Gegenteil gerade sie zum Entsetzen unseres Denkens ein hinreichendes Maß für den gewaltigen Absturz seiner zahllosen Kinder, die wie eine Steinlawine die ganze menschliche Geschichte hindurch zu Tal gehen und durch ihren Aufprall einen donnernden Widerhall in allen Wänden wecken?

In dieser erhabenen Stiftshütte, die für alle Ewigkeit der „Schoß Abrahams” heißt, mußte schon von Anfang an in unsichtbarem, keimhaftem Zustande das schreckliche Unkraut der Verwünschung und des Ekels leben, das von der verwesenden Nachkommenschaft dessen, den Jehova „berief”, so sorgfältig und ausschließlich gezüchtet wird.

Mit anderen Worten, der „auf ewig der Freund Gottes” genannt wurde und niemals „seinesgleichen an Herrlichkeit” hatte, mußte unter der Gestalt des Lichtes die ganze Gemeinheit des Wucher-und Schachergeistes in sich tragen, von der seine ferne, vom Menschengeschlecht verworfene Nachkommenschaft in der Zukunft leben sollte.

Ein überraschendes Beispiel dafür ist der großartige Handel um die Begnadigung Sodomas im 18. Kapitel der Genesis.

Um mich endlich einmal ganz aussprechen zu können, sei es mir gestattet, hier eine Paraphrase dieser Stelle anzuführen, die allerdings mehr als ungewöhnlich ist.

Der Verfasser, dessen Anonymität zu wahren ich versprochen habe, und den ich, trotzdem er wie ein Pestkranker gemieden wird, für den legten, glühenden Verehrer der hohen Exegese der alten Zeit halte, erscheint hier als unbeirrbarer Erforscher des Absoluten, nicht gewillt, auch nur einen Augenblick von seiner Uberzeugung abzugehen, daß Abraham in absolutem Sinne der Vater des Sohnes Gottes durch Maria ist, und daß er im Namen der jungfräulichen Mutter sprechen muß.

Wohl verstanden, diese Stelle ist geschrieben gleichsam in erhabenen Buchstaben, an denen die jungen Blinden das Lesen lernen müssen.

Die Leser mit feinem Tastvermögen werden darin unverkennbar einen einzigartigen Beweis für das Judentum des Patriarchen finden, der, wie ein „Jude” aus Algier oder Warschau einen faulen Lumpen erhandeln würde, Zug um Zug handelt um die allzu gerechte Sättigung des Zornes seines Herrn.

Barmherziges, anbetungswürdiges Judentum des Anfangs, als es den Namen „Jude” noch gar nicht gab und die Zicklein der Hirten vor Freude springen konnten auf den Hügeln voll Wohlduft und Weihrauch, die der Greuel des Gottesvolkes noch nicht entweiht hatte!

~30~

DIE ERSTE JÜDISCHE SPEKULATION

Das Geschrei in Sodoma und Gomorrha ist groß geworden, sprach der Herr, und ihre Sünde ist gar schwer.35)

Dieses Wort ist vertraulich an Abraham gerichtet unmittelbar nach der Verheißung eines Sohnes, in dem alle Völker der Erde gesegnet sein sollen. Eine Verheißung, welche die alte Sarah „hinter der Türe des Zeltes” hat auflachen lassen, wie sie einige Tage vorher der hundertste Geburtstag Abrahams hatte auflachen lassen.

Das Lachen ist sehr selten in der Heiligen Schrift. Abraham und Sarah, die Stammeltern der schmerzhaften Maria, der Mutter der Tränen, sollten es feierlich einweihen, und dieser geheimnisvolle Umstand ist so bedeutungsvoll, daß der erste Sproß am Stammbaum der Erlösung, kaum als dieser die Erde durchstoßen hatte, gerade Isaak ist, was Lachen heißt.

Noch zittert die Luft von diesem überraschenden Lachen, als Gott seinem Patriarchen von dem Geschrei der schuldigen Städte erzählt, und hier beginnt die erhabene Geschichte von den Fünfzig Gerechten.

Die unendliche Schönheit dieser Stelle fordert so hohe Achtung und so ehrfürchtige Bewunderung, daß man kaum hoffen kann, beim Versuch, sie auszulegen, nicht blasphemisch zu werden.

Man muß bedenken, daß man am Anfang von allem steht, und daß das auserwählte Volk, das heißt die streitende Kirche, eben berufen worden ist.

Abraham, der berufene Vater des Volkes, der unvergleichliche Mensch, für den Noe nur das Vorbild war, und in dessen Schoß die lebendigen Seelen der Gerechten einst in ihrer Herrlichkeit geborgen sein sollen, — Abraham bietet den Drei Göttlichen Personen, die bei ihm im Tale Mamre erschienen waren, da der Tag am heißesten war, die Gastlichkeit seines Zeltes an.36)

In seinem Eifer, ihnen zu dienen, vermehrt der Ahnherr Mariens die Symbole und Vorbilder, und nach einer Reihe von Handlungen, die an das Meßopfer erinnern, stellt er sich schließlich nahe zu ihnen unter den Baum.37)

Das ist die Stunde der Erneuerung der Verheißung. Der Herr wird wiederkommen zur bestimmten Stunde, und Sarah, die im Zelte weilt, wird einen Sohn haben. Moses, David, Salomo und die siebzehn Propheten des Gesekes der Erwartung werden von nun an nur ein Echo sein dieser seligen Verkündigung der Geburt des wahren Sohnes Abrahams, welcher der Erlöser der anderen sein wird.

Nach einem solchen Geschenk, in dem sich die unendliche Zuneigung gleichsam ganz hingegeben hat, kann der Herr dem nichts mehr verheimlichen, den er liebt, und er teilt ihm seinen schrecklichen Plan mit, Sodoma und Gomorrha, deren Geschrei zu ihm emporgestiegen ist, zu verderben.

Dieser biblische Ausdruck soll die unerhörte Größe der Sünde bezeichnen, die Gott bestrafen will, und sie läßt im Geiste einen seltsamen Eindruck zurück. Es scheint, daß das Verbrechen eine Stimme hat wie die Unschuld, und daß der Greuel Sodomas zum Himmel schreit wie das Blut Abels.

— Ich will hinabgehen, fügt dann der furchtbare Gesprächsteilnehmer hinzu, und sehen, ob ihre Werke so sind wie das Geschrei, das zu mir gedrungen ist; ich will wissen, ob es so ist oder nicht.

Diese legten Worte sind eine unsäglich väterliche Aufforderung zu der kühnen Bitte, die nun folgt. Der Herr will vor allem die Demut seines Dieners sehen, diese Demut, die um so heller aufstrahlt, je drängender und scheinbar verwegener dessen Bitten werden. Deshalb steigt er hinab und will sich selber dieses Wunder seiner Gnade bezeugen.

Um die Erhabenheit dieser Szene zu verstehen, ist es nicht unangebracht, sich zu überlegen, was Jesus meint, wenn er vom „Schoß Abrahams” spricht.38) Der Patriarch trägt Jerusalem in sich und bittet mit der ganzen Kraft der Segnung, die er eben für alle Völker empfangen hat; er macht so den Anfang mit der unendlichen Reihe prophetischer Gesichte, die, nachdem sie die ganze Wanderung Jakobs übersprungen hat, im legten Vers des „Magnificat” ihr glanzvolles Ende finden soll.

Sodoma ist die Stadt des Geheimnisses und Gomorrha die Stadt des Aufruhrs.39) Sie scheinen zwei unbekannte Formen des Verbrechens an der Liebe darzustellen, wobei Sodomas Verbrechen das schwerere ist. Darum bittet auch Abraham für sie besonders, wie wenn das Heil der Auf rühr er von der Verzeihung abhinge, die den heimlich Lasterhaften und den Götzendienern gewährt wird.

Wie Maria nur sechsmal im Evangelium sprechen soll, wird auch Abraham, das Vorbild der fürbittenden Mutter der Lebenden, nur sechsmal für die Schuldigen um Gnade bitten, und er wird darum bitten: nicht daß das Verbrechen geschont, sondern daß „der Gerechte nicht hineingezogen werde in die Züchtigung des Gottlosen”.

— Wenn sich fünfzig Gerechte in der Stadt finden, der wahren Stadt, die das Herz Deiner Mutter sein wird, wirst Du dann nicht verzeihen? Fünfzig Ellen war die Arche breit, in der das menschliche Geschlecht gerettet wurde.40) Nein, wahrlich, es ist nicht möglich, daß Du das tust, daß Du den Gerechten mit dem Gottlosen vertilgst, daß der Unschuldige wie ein Schuldiger bestraft wird; das ist Deiner nicht würdig, der Du die Erde richtest. Du kannst unmöglich ein solches Urteil fällen.41)

— Ich will ihretwegen verzeihen, spricht der Herr. Abraham sammelt von neuem seine Kräfte. Er bedenkt, daß er nur „Staub und Asche” ist, aber da er einmal begonnen hat, warum sollte er nicht weiter zu seinem Herrn sprechen?

— Wenn nun fünf weniger darin sind als fünfzig Gerechte, versucht er, wirst Du dann die ganze Stadt vernichten, weil es nur fünfündvierzig sind?

Der Herr bedenkt bei sich, daß er alles vernichten kann, da er allmächtig ist; aber werden nicht fünfundvierzig gerade und prächtige Säulen die Kuppel des mystischen Palastes Salomos tragen müssen?42) Und er verspricht, die Stadt nicht zu zerstören, wenn er fünfundvierzig Gerechte darin findet.

Abraham spricht zum dritten Male.

— Aber wenn es nur vierzig Gerechte gibt, was wirst Du tun? Ja, Herr, was wirst Du tun? Die Sintflut dauerte vierzig Tage und vierzig Nächte, ehe Du die Brunnen der Tiefe schlössest; Deinem Volke ist es vorbestimmt, vierzig Jahre in der Wüste zu klagen, ehe es das Land seiner Sehnsucht erreicht. Ezechiel, der Seher Deiner Herrlichkeit und der Diener Deiner Evangelisten, wird in einigen Jahrhunderten verkünden, daß Du die Missetat Judas in den vierzigtägigen Fasten auf Dich nehmen wirst.43) Was wirst Du mit Sodoma tun, wenn Du dort so viele Gerechte entdeckst, wie Deine geheimnisvolle, göttliche Einheit in der symbolischen Zahl der Buße enthalten ist?

— Der vierzig wegen, sagt der Herr, will ich sie nicht schlagen.

— Sei nicht unwillig, ich bitte Dich, beginnt der Ende der Zeiten… Wenn sie nun doch in Sodoma, der Stadt des Geheimnisses, zusammenträfen!… Der Herr wäre gezwungen, ihr zu verzeihen.

Und Er verzeiht wirklich, Er verpflichtet sich, die Stadt nicht zu zerstören, wenn diese zehn Gerechten darin sind.

Hier endet das Zwiegespräch zwischen der rächenden Allmacht und der fürbittenden Allmacht.44) Der Herr, der sechsmal besiegt wurde, geht hinweg und hört auf, mit Abraham zu reden, wie wenn Er fürchtete, ein siebtes Mal besiegt zu werden und dann nicht mehr in Seiner Gerechtigkeit „ruhen” zu können.

~31~

So sind die Juden, die echten Juden, in jeder Hinsicht ähnlich jenem Nathanael, der unter dem sinnbildlichen Feigenbaum saß, und von dem Jesus, der sich die »Wahrheit” nannte, trotz allem sagte: „Das ist ein echter Israelit, ohne Falsch.“45)

Es hat Gott gefallen, sie so im Anfang zu erschaffen, und er scheute sich nicht, aus Liebe selber ein Sohn Abrahams dem Fleische nach zu werden, leidensfähig und sterblich.

Schon längst habe ich darauf verzichtet, Anstoß zu vSrmeiden. Darum kann mich auch die Angst, daß ich einiigen fuchtigen Küstern die Laune verderbe, nicht von der Behauptung abhalten, daß Unser Herr Jesus Christuis diese Abstammung in all ihren Folgen mit einer unendlichen Genauigkeit noch immer tragen muß.

Auch wenn wir von dem Großen Brandopfer, der offenbar kühnsten Spekulation eines Israeliten, absehen, wäre es nicht schwierig, schon im Äußeren der unendlich liebenswerten und heiligen Worte des Gottessohnes eine Familienähnlichkeit mit dem ewigen Jüpchen Denken zu erkennen, das die Heiden in Harnisch bnngt.

Wird zum Beispiel der ungetreue Verwalter nicht gerade seiner Untreue wegen gelobt, und besteht nicht die unverständliche Schlußfolgerung Jesu in dem förmlichen Gebot: „Also, machet euch Freunde mit den Reichtümern der Ungerechtigkeit”?46)

Das ist in kurzen Worten die überlieferte Anempfehlung des Raubes und des niederträchtigen Wortbruchs, wie sie einst den sechshunderttausend Hebräern des Exodus verkündet worden war, welche aus Ägypten auszogen, beladen mit den Schäden, die sie geborgt hatten, um sie nicht wieder zurückzugeben, und darin noch vom.Herrn unterstützt wurden, der sie auf ihrer Flucht beschult hat. 47)

Es ist immer das Gleiche, was die Heilige Schrift in ihrer dunklen Sprache berichtet; der wörtliche Sinn ist so vielen Bösewichten ein Ärgernis, und die geistige Auslegung durch Symbole und Gleichnisse ist für immer allen Dummköpfen unzugänglich.

Man glaubt, in einen Abgrund zu stürzen, wenn man bedenkt, daß das Wort Ägypten, Misraim auf hebräisch, wörtlich quälende Angst oder Bedrängnis bedeutet; daß der erste Joseph, der — ein deutliches Vorbild des fleischgewordenen Wortes — von seinen Brüdern verkauft wurde, und dem später, weil er es vom Hungertode gerettet hatte, das ganze Königreich gehorchte, „in ägyptischer Sprache Erlöser der Welt genannt wurde”48); daß folglich Jesus die „Erfüllung” oder Hypothase aller Prophezeiungen und Symbole, von seinem Vater nur gesandt, um über den Schmerz der ganzen Welt zu herrschen —, als er durch die Schmach seines Kreuzestodes die Welt verließ, im Grunde nur die Schätze der erblichen Angst und die Ersparnisse der Bedrängnis mit sich nehmen wollte, die er geborgt hatte, um sie denen nie mehr zurückzugeben, die ihr Vertrauen auf ihn gesetzt hatten.

Nach dem Verschwinden dieses anbetungswürdigen Bankrotteurs der Verzweiflung, in dessen Person die Juden, ohne zu wissen, was sie taten, sogar das Bewußtsein ihrer Erstgeburt gekreuzigt hatten, behielten sie den Instinkt ihres Volkes, den die wunderbare Menschwerdung — wenn für sie auch vergeblich — so innig mit dem göttlichen Willen verschmolzen hatte … Und es blieb in ihren Händen nur noch das armselige, hingeschlachtete Geld, das ihren Messias ersehen sollte.

~32~

Nun, da dieser Instinkt für Handel und Betrug seine geheimnisvollen Beziehungen zu Gott verloren hatte, führte er in jähem Absturz in die Abgründe des Geizes und der Habgier.

Die feige „Verdrängung” des armen Riesen Esau, vor dem Jakob, stark gegen Gott allein, immer gezittert hat, und die allgemeine Ausplünderung der Ägypter sind alltägliche Ereignisse geworden, welche nur die endgültige Züchtigung vorbilden können. Die Form dieser Züchtigung, die uns aber dennoch unbekannt bleibt, wird so sein, daß einer, dem sie durch Erleuchtung des Heiligen Geistes offenbart würde, sofort auch das unzugänglich geheimnisvolle Ende der Erlösung verstünde.

Unaufhaltsam war ihr Verfall und in rasender Eile stürzten sie bis zur untersten Stufe der Schande.

Da sie von ihrem fürstlichen Erbteil nur das Götzenbild der Macht, nämlich das Geld, behalten haben, wurde dieses unselige Metall ein Unflat in ihren Totenvogelklauen, und sie verlangten, daß es in ihrem Dienste an der Vertierung der ganzen Welt arbeite.

Da sie fürchteten, dieser unvergleichliche Diener könnte ihnen entkommen, legten sie ihn grausam in Eisen und ketteten sich selber an ihn mit widernatürlichen Ketten, die siebenmal um ihr Herz geschlungen waren; und so machte ihr wilder Despotismus sie selbst zu Sklaven.

Und die Seele der Völker wurde mit der Zeit von ihrer Pestilenz angesteckt.

Da sie ja länger als zweitausend Jahre auf eine Gelegenheit gewartet hatten, das Wort Gottes zu kreuzigen, so konnten sie auch weitere neunzehnhundert Jahre warten, bis ein gewaltiger Ausbruch des Ungehorsams die Anbeter dieses schmerzhaften Wortes in Schweine verwandelt hatte, damit wenigstens die Herde des „verlorenen Sohnes” diesem Israel nicht fehle, das sein Vermögen vergeudet hatte.

Wahrlich, es ist ganz dieser Hirte geworden!

Die abgefallenen christlichen Völker, die vom weißen Aussage seines schmutzigen Geldes angefressen sind, gehorchen ihm, und die gekauften Machthaber, die demütig von ihren alten Thronen herabgestiegen sind, wälzen sich ihm zu Füßen in seinem Kot.

So ist die Prophezeiung des Deuteronomiums in der Absolutheit der Verspottung und Entweihung buchstäblich in Erfüllung gegangen: „Du wirst vielen Heiden auf Zins leihen und von keinem borgen. Du wirst herrschen über viele Völker, und keines wird herrschen über dich.“49)

Diese Herrschaft des Geldes, die dem weiß gekleideten Stellvertreter Jesu Christi Empörung abringt und mir — ich glaube, es oft genug gesagt zu haben — wie ein unergründliches Geheimnis erscheint, ist von den katholischen Nachkommen der frommen, mittelalterlichen Verächter des Zinses so restlos anerkannt worden, daß, wer immer von der Demütigung der Juden träumen mag, sie im Namen seines eigenen Schmuses verlangen muß, welcher der triumphierenden Kloake dieser von Würmern zerfressenen Fremden jederzeit unterlegen ist.

Nur die Liebhaber der Armut, nur die in freiwilligem Elend Büßenden — wenn es sie überhaupt noch gibt — hätten vielleicht das Recht, ihnen zu fluchen, weil sie das alte, reine Gold aus den lebendigen Tempeln des Heiligen Geistes versilberten, weil sie mit ihrer schmutzigen Seele die edle Seele der gläubigen Völker angesteckt haben, welche von den Heiligen geformt wurden „wie die Honigwabe von den Bienen”, vor allem aber, weil die Juden es in Verachtung der ewigen Gebote durch eine entsetzliche Verbreitung des Neides bei christlichen Völkern so weit gebracht haben, daß die Gebote des Herrn durch die brudermörderischen Befehle des bösen Armen ersetzt wurden.

Denn es steht außer Zweifel, daß die Juden im legten Jahrhundert, in dem ihre destruktive Macht in solchem Maße zur Auswirkung kam, das menschliche Niveau teuflisch erniedrigt haben.

Sie haben den modernen Begriff des Lebenszweckes eingeführt und die rauschhafte Begeisterung für das Geschäftemachen entfacht.

Sie haben diese Algebra der Gemeinheiten, Kredit genannt, endgültig an die Stelle der alten Ehre gesetzt, die den ritterlichen Seelen zur Erfüllung ihrer Verpflichtung immer genügt hat.

Und als ob dieses rätselhafte Volk (verdammt, was auch geschehen mag, für immer Gottes Volk zu sein) nichts unternehmen könnte, ohne sofort einen Abglanz seiner ewigen Geschichte sichtbar zu machen, wurde das lebendige und barmherzige WORT der Christen,

das früher für jeden gerechten Handel genügte, von neuem in allen Geschäften der Ungerechtigkeit aufgeopfert der starren, erbarmungslosen SCHRIFT.

Ein entscheidender Sieg, der das allgemeine Chaos besiegelt hat.

Da der Abgrund geöffnet war, stürzten die reinen Quellen der Größe und des Ideals schluchzend hinein. Die Vernunft zerfiel wie ein Knochen bei Knochenbrand; und als die jüdische Pest im finsteren Tale des Schwachsinns endlich den Punkt erreicht hatte, wo der freimaurerische Typhus herunterstürzte, um sich mit ihr zu vereinigen, überschwemmte ein Strom der Verblödung die Bewohner des Lichtes, die so dem unwürdigsten Tode anheimgegeben waren.

Zum Glück werden die giftigen Tiere niemals ganz ihr Gift los, an dem sie nur zu oft selber zugrunde gehen. Israel konnte nicht umhin, sich selbst die Idiotie einzuimpfen, die es der Welt verabreicht hat.

Es ist sogar durchaus möglich, daß diese wahre Fallsucht, deren zugleich treffendes wie erschreckendes Sinnbild der blöde Logenschurz ist, von Israel in dem unersättlichen Rasen seines Herzens freiwillig ergriffen wurde wie ein notwendiges Opfer oder ein Selbstmord.

Aber, mein Gott, welch’ armseliger Trost für Völker, die der Auflösung entgegengehen, und sich wie ihre Besieger doch in derselben stinkenden Zersetzung eines unaufhaltsamen Verfalls gefangen haben.

~33~

Schweigen!

Eine Stimme aus der Tiefe.

Eine Stimme aus der Verbannung — ganz fern erst, schwach und fast erstorben, die anzuschwellen scheint, indem sie aus der Tiefe emporsteigt.

— Die erste Person ist die, welche spricht.

— Die zweite Person ist die, zu der gesprochen wird.

— Die dritte Person ist die, von der gesprochen wird. Diese dritte Person bin Ich, Israel, praevalens Deo,

überaus mächtig durch Gott, Sohn Isaaks, Sohn Abrahams, Erzeuger und Segenspender der zwölf jungen Löwen, die an den Stufen des elfenbeinernen Thrones aufgestellt sind zu Diensten dem großen König und zum ewigen Ärgernis der Völker.

Ich bin der Abwesende von überall, der Fremdling allen bewohnbaren Stätten, der Verschwender des Vermögens; und meine Zelte sind auf so trostlosen Hügeln aufgeschlagen, daß sogar die Würmer in den Gräbern den Befehl erlassen haben, die Pfade in meine Einöde auszulöschen.

Kein Schleier ist meinem Schleier vergleichbar, und kein Mensch kennt mich, weil niemand außer dem Sohne Mariens das unendlich doppelsinnige Rätsel meiner Verdammung hat erraten können.

Selbst in jener Zeit, als ich gesund und herrlich schien, in jenen alten Zeiten voll der Wunder, die dem Geschehen auf Golgatha vorausgegangen sind, haben mich meine eigenen Kinder nicht erkannt, und oft weigerten sie sich, mich aufzunehmen, denn mein Joch ist nicht sanft und meine Bürde sehr schwer.

So trage ich immer die schreckliche Reue Jehovas, den es „reute, die Menschen und Tiere erschaffen zu haben”50), und man sieht so gut, daß ich sie genau so trage, wie Jesus die Sünden der Welt getragen hat!

Deshalb bin ich mit dem Staub vieler Jahrhunderte bedeckt.

Trotzdem werde ich mit der unverlierbaren Autorität eines Patriarchen sprechen, der ich hundert Mal mit der Sprache des Allmächtigen belehnt worden bin.

Ich liebe meine Söhne aus Juda und Benjamin nicht sehr, weil sie den Sohn Gottes gekreuzigt haben. Sie sind zwar die echten Nachkommen ihrer beiden Ahnen, die ich gezeugt, und die ich einst mit zwei wilden Tieren verglichen habe.

Aber sie haben ihre Züchtigung erduldet, und ich habe mich nicht geweigert, der Gemahl und Mitträger ihrer äußersten Verwerfung zu sein.

Wenn ich daran denke, daß ich meinen Bruder Esau treulos beraubt habe, so war es nur gerecht, daß ich bis in meinen legten Nachkommen die Mitschuld an einer Treulosigkeit auf mich nahm, die das Heil des Menschengeschlechtes vorbereitete, indem sie mich selbst der Herrschaft über alle Reiche beraubte.

Allerdings wußten diese elenden Kinder nicht, daß sie so die Verwirklichung der Visionen und Prophezeiungen erfüllten, und daß durch ihr namenloses Verbrechen ohne Maß das blutige Reich der zweiten Person ihres Gottes eingesetzt wurde, das auf die Herrschaft der ersten folgte, die sie aus dem leidvollen Ägypten errettet hatte.

Von nun an muß die Thronbesteigung der dritten Person erwartet werden, deren Siegel auf meinem Antlitz ist, die alle Vorhänge in allen Tempeln der Menschen zerreißen und alle Herden in der strahlenden Einheit versammeln wird.

Doch diese Dinge werden nicht geschehen, bevor man „die Greuel der Verwüstung in der heiligen Stadt” gesehen hat, das heißt bevor die Christen, diese hartnäckigen Tadler meiner treulosen Nachkommenschaft, nicht ihrerseits mit noch größerer Blutgier die Greueltaten, die sie ihr vorwerfen, selbst vollbracht haben.

Hört, ihr Christen, auf die Worte Israels, auf den Vertrauten des Heiligen Geistes.

Der da ist, kann immer nur sich selbst wiederholen, und der Herr der Herren dürstet immer danach, zu leiden…

Wenn der Verheißene, der der Tröster genannt wird, kommt, Besitz zu ergreifen von seinem Erbe, so muß euch Christus notwendig verlassen haben, da er erklärte, dieser Tröster könne erst dann kommen, wenn er vorher fortgegangen sei.51)

Denn eines Tages wird er euch scheinbar verlassen, wie sein Vater Jerusalem und ihn selbst verließ, und ihr werdet ebenso unerbittlich wie die Juden „der ewigen Schmach und der ewigen Schande, die niemals vergessen wird”52), ausgeliefert sein.

Seht ihr denn nicht, daß wir von nun an die Tischgenossen beim selben Mahl der Schande sind, und daß wir gemeinsam unter der Geißel des Eintreibers gehen?

Haben denn eure Gelehrten, die euch nun so lange schon unterrichten, nicht begriffen, daß die beiden Hurenschwestern, von denen Ezechiel spricht, Jerusalem und Samaria überlebt haben, daß sie immer leben in der Ewigkeit des Symbols, und daß sie heute Synagoge und Kirche heißen?

„Weil du auf dem Wege deiner Schwester gegangen bist, sprach Gott, der Herr, zur Jüngeren, so will ich ihren Kelch in deine Hand geben.

Du wirst den Kelch deiner Schwester trinken, den weiten und tiefen Kelch, du wirst wohnen in Spott und großem Hohn …

Du wirst voll sein von Trunkenheit und Schmerz durch diesen Kelch der Trauer und der Trübsal, den Kelch deiner älteren Schwester, der Hüterin ohne Treue, die sich befleckt hat mit dem Schmutz der Völker.

Du wirst ihn trinken und ihn leeren bis zur Bodenhefe, du wirst seine Scherben verschlingen und dir die Brüste zerreißen …

Und ihr werdet beide ausgeliefert sein der Empörung und dem Raub, gesteinigt von allen Völkern und getrieben in die Schneide ihrer Schwerter”.53)

Er wird sich dann einen Steinwurf weit von euch zurückziehen54), dieser Erlöser, der ohnmächtig war, euch aufzuwecken, und eure Seelen werden von ihm verlassen sein wie die Tabernakel seiner Altäre am Tage der Qual, am Freitag der Klage.

Verlassen von Dem, der eure Stärke und eure Hoffnung ist, wird das Weltall, erstarrend vor Entsetzen, die unenthüllbare Qual des Heiligen Geistes schauen, der von den Gliedern Jesu Christi verfolgt wird.

Die Passion wird von neuem beginnen, nicht mehr inmitten eines wilden und verabscheuten Volkes, sondern am Kreuzweg und am Nabel aller Völker, und die Weisen werden begreifen, daß Gott seine Quellen nicht verschlossen hat, sondern daß das Evangelium des Blutes, das sie für das Ende der Offenbarungen hielten, seinerseits wie ein Altes Testament ist, das den Tröster des Feuers verkünden soll.

Dieser unerhörte Besucher, den ich seit viertausend Jahren erwarte, wird keine Freunde haben, und sein Elend wird die Bettler den Königen gleichmachen.

Er wird der Dunghaufen sein, auf dem der arme Idumäer saß und seine Schwären auskragte. Man wird sich über ihn beugen, um den tiefsten Grund des Leidens und der Verworfenheit zu erblicken.

Bei seinem Nahen wird sich die Sonne in Finsternis und der Mond in Blut verwandeln; die stolzen Ströme werden zurückweichen wie scheuende Pferde; die Mauern der Paläste und die Mauern der Zuchthäuser werden vor Angst schwitzen.

Die verwesenden Leichen werden mit duftenden Essenzen Übergossen, die man kühnen Seefahrern abkauft, um sich gegen ihren Pesthauch zu schüren, und in der Hoffnung, ihrer Berührung zu entgehen, werden die Vergifter der Armen oder die Mörder der Kinder rufen: „Ihr Berge, fallet über uns!”

Nachdem der Ekel das Mitleid vernichtet hat, wird er sogar den Zorn töten, und dieser Geäditetste unter allen Geächteten wird stillschweigend noch von den mildesten Richtern verdammt werden.

Jesus hatte von den Juden nur den Haß geerntet, und welch einen Haß! Die Christen werden dem Tröster das in Fülle geben, was den Haß noch übertrifft.

Er ist so sehr der Feind, so sehr mit diesem Luzifer, der Fürst der Finsternis genannt wurde, eins, daß es selbst in seliger Schau fast unmöglich ist, sie zu trennen.

Wer es fassen kann, der fasse es.55)

Die Mutter Christi ist die Braut dieses Unbekannten genannt worden, den die Kirche fürchtet, und sicherlich wird aus diesem Grunde die allerweiseste Jungfrau unter dem Namen „Morgenstern” und „Geistliches Gefäß” angerufen.

Um die „Entfesselung” des Abgrundes herbeizuführen, wird die Kirche der Märtyrer und Bekenner, die zu den Füßen Mariens kniet, gegen den Schöpfer-Geist mit einer friedenshungrigen Wildheit die Entfesselung der Synagoge erneuern müssen.

Das Herz der Menschen aber würde verdorren schon beim Gedanken an diese glühende Sonnenwende des Sommers der Welt, in der selbst die Wesenheit des Feuers in den sieben Glutöfen der sieghaften Liebe murren wird, und in der der geizige, so lange verfluchte und so lange mit Kot begossene Feigenbaum endlich die einzige Frucht der Freude und des Trostes wird spenden müssen, die das „Ausspeien” Gottes zu beendigen vermag.

Dann wird es ganz einfach sein, daß der Gekreuzigte herabsteigt, da das Kreuz seiner Schmach mit Recht das ewige Bild und Gleichnis des unsteten Befreiers ist, nach dem er neunzehn Jahrhunderte lang gerufen hat, — und dann wird man zweifellos auch verstehen, daß ich selbst dieses Kreuz bin, vom Kopf bis zu den Füßen!…

Denn das Heil der Welt ist an mich, an Israel, geheftet, und von mir muß es „herabsteigen’.

A n t o n y , am Feste der Enthauptung des heiligen Johannes Baptista, 1892.

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